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in der theaterfalle – kay voges mit thomas bernhard am schauspiel dortmund

Mit Thomas Bernhards Theatermachern unternimmt das Schauspiel Dortmund einen vielfachen Wahnsinnsritt direkt hinein in die Theater-Himmel-und-Hölle, an dessen Ende man sich verwundert die Augen reibt: wie zum Henker ist man denn jetzt von dem kraftvollen, aber gesittet kammerspieligem Beginn in diesem überbordenden, surrealen, großartigen Theaterwahnsinn gelandet?

wider die intellektuelle arteriosklerose – meigl hoffmann kämpft am stand der dinge

Ja, hat er nu zu? Oder ist offen? Denn, nur weil man die Klappe nicht zukriegt, heißt das ja noch lange nicht, dass der Kiosk aufhat. Was es allerdings auf jeden Fall bedeutet: hier hat jemand einiges zu sagen. Meigl Hoffmann gibt in seinem neuen Soloprogramm einen so geschäftsunwilligen wie redseligen und sangesfreudigen Zeitungskioskinhaber. Und noch einiges mehr: Am Stand der Dinge.

lebendiger theaterzauber – jan neumanns sommernachtstraum in weimar

Vor etwa zwei Jahren hatte in der Weimarer Nebenspielstätte Redoute Shakespeares „Sommernachtstraum“ in der Regie von Jan Neumann Premiere. Obwohl von der überregionalen Presse kaum beachtet und in den Lokalzeitungen weitgehend verrissen, kam die Inszenierung beim Publikum gut an und wird mittlerweile im Großen Haus des Deutschen Nationaltheaters gespielt: am vergangenen Wochenende vor sehr gut gefülltem Haus, zu Gast dabei auch die Mitglieder der Shakespeare-Gesellschaft, die gerade in Weimar tagten.

den augenblick ergreifen – sebi hartmanns schmerzhaft-grandioser theaterbildersturm in dresden

All that we see or seem … wie so vielen Sebi-Hartmann-Abenden steht auch diesem am Staatsschauspiel Dresden das Edgar Allen Poe Zitat voran. Und wie Träume aus Träumen lösen sich dann schemenhaft die Spieler aus dem waschküchen-dichten Nebel, verharren kurz an der Rampe und verschwinden wieder. Genauso werden sich in den nächsten 2¾ Stunden Bruchstücke aus Dostojewskis Roman aus dem Bühnengewusel schälen, nur scheinbar zusammenhanglos, eindringlich und verstörend und nervig, schön und hässlich zugleich, und sich dann gleichsam wieder darin auflösen, bis die Spieler sich todesmutig in die nächste Szene stürzen.

allesamt gespenster! – philipp preuss lädt mit ibsen & schreber zur geisterstunde

Nebelschwaden wabern über die düstere Bühne, in ihnen verfängt sich spärliches Licht, aus Gemälden blicken ernst und stumm die Figuren herab, durch die Türen huschen Gestalten, über die Wände irrlichtern ihre Abbilder und Wiedergänger und vor dem Vorhang aus schwarzer Gaze ergeht sich ein junger Mann aus guten Hause seltsam klar in Wahnvorstellungen von belebten Strahlen, von zweierlei Gottheiten, von verirrten, in Singvögel gewunderte Seelen, von Zwangszuständen und vom eigenen Körper, der zu dem einer Frau mutiert.

zombies, die auf wölfe warten – gordon kämmerer mit wolfserwartungsland in der diskothek

Nein, dieses Land hier wartet auf gar nichts mehr. Außer vielleicht auf das Ende der Menschheit. Oder war das jetzt schon? Es sieht ganz danach aus in der Diskothek, in der eine erdhügelige und totenkopfgeschmückte Tagebaurestlandschaft die Bühne bedeckt. Ein interessanter Ansatz für eine posthumane Horrorshow – nur ist es in Florian Wackers Wolfserwartungsland dann doch ’nur‘ die eigene Vergangenheit, die als Raubtier zurückkehrt wie der Wolf in die Kulturlandschaft – längst ausgestorben geglaubt und doch so lebendig und gefährlich wie eh und je.

der hinterbühnen-könich – roman kanoniks hinreißendes gogol-solo tagebuch eines wahnsinnigen

Schade, dass sich am Sonntagnachmittag nur so wenige Zuschauer auf der Hinterbühne versammelt haben, über die eigentlich eine Vorstellung von „89/90“ gehen sollte. Dann aber auch irgendwie wieder nicht. Denn der große, weitgehend leere Raum passt ganz und gar wunderbar zur Solo-Show des kleinen Beamten mit den übergroßen Phantasien aus Gogols Tagebuch eines Wahnsinnigen – der Inszenierung von Kristina Seebruch mit Roman Kanonik, die dankenswerterweise und nicht zum ersten Mal als Ersatzvorstellung einspringt.