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ich regier doch nur ein bisschen – ubu on the top am schauspiel leipzig

Wir haben es geahnt: Gierige und gewissenlose Zeitgenossen kommen einfach nicht aus der Mode. Alfred Jarrys absurdes Stück über den gefräßigen Vater und die machtgeil-kalkulierende Mutter Ubu ist nun schon über 100 Jahre alt und steckt doch so voller aktueller Bezüge, dass eine plumpe Aktualisierung absolut überflüssig ist. Claudia Bauer erzählt die Geschichte denn auch als herrlich groteske Revue, um hernach den Verbrecher mit Simon Stephens‘ Fortschreibung Ubus Prozess vor den internationalen Strafgerichtshof zu stellen. Für ein Schlussplädoyer, bei dem es einem dann doch kalt den Rücken herunter läuft.

no way back – die leipziger uraufführung verortet heinz helles endzeitparabel in einer turnhallen-wirklichkeit

Heinz Helle erzählt in eigentlich müssten wir tanzen von einer Gruppe schon etwas in die Jahre gekommener Jugendfreunde, die nach einem winterlichen Berghüttenwochenende in die Zivilisation zurückwollen und eine komplett zerstörte Welt vorfinden – in Schutt und Asche, leichenübersät. Wir folgen dem Ich-Erzähler und seinen vier Kumpels, die seltsam gefühlskalt und schicksalsergeben durch die postapokalyptische Landschaft streifen. Getrieben von einem nicht tot zu kriegenden Überlebenswillen, aber ohne Ziel und die notwendigen Überlebensfähigkeiten: Wie in einem Kinderabzählreim dezimiert sich die Gruppe.

überaus bunt und unglaublich nah – sascha hawemanns kirschgarten in dortmund

So nah sind wir der Ranjewskaja und den ihren in der Tat noch nicht gekommen. Ist doch Tschechows Kirschgarten ein Stück fürs große Ensemble und die große Bühne. Das große und, so viel sei schon veraten, tolle Ensemble gibt es am Schauspiel Dortmund auch. Sascha Hawemann hat die Geschichte der gutsherrlichen Insolvenzverschleppung aber nun mit viel (russischer) Seele in die intime Studiobühne versetzt.

schöne bescherung! – feine weihnachstgespinste bei kitsch und krempel

Kitsch & Krempel ist zurück! Für die Christ-Nachtvorstellung haben sich die Verrückten, Komödianten und Entzückten am letzten Freitag im Rangfoyer zusammengefunden. Schon zum achten Mal präsentiert Brian Völkner die Schauspiel-Hausmusik im allerbesten Sinne. Kaum im Vorverkauf, sind die Tickets auch schon weg wie heiße Semmeln. Und natürlich hat sich der Master of Kitsch und Chief-in-Krempel auch dieses Mal liebe Gäste eingeladen.

geächtet: sascha hawemann lässt in hannover die rassismen an-tanzen

Do you remember, the 21st night of September? singen Earth, Wind & Fire am Ende und Jonas Steglich alias Abe alias Hussein tanzt dazu in 70er-Schlaghose und mit dickem Afro-Bob durch das ehemals stylische, jetzt ziemlich kaputte Upper-Eastside-Appartement. Der Sascha-Hawemann-geschulte Zuschauer reibt sich nach 90 furiosen Theaterminuten ein wenig verwundert die Augen: Wo sonst verlorene Seelen durch aus der Zeit gefallene Hotels irren oder sich die Illusionen an den Endstationen dieser Welt treffen, rückt der Regisseur Ayad Akthars Erfolgsstück mit so klugem wie böse-doppelbödigem Trash zu Leibe.