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zu kurz gesprungen, hase – die neue schauspiel-komödie kann nicht so recht überzeugen

Dass das hier wohl nicht nur ein lockerleichter Boulevard werden soll, sieht man auf den ersten Blick. Dafür hat das Zuhause der Familie Dowd, das sich später in ein Sanatorium (und zurück) verwandelt, eindeutig schon bessere Tage gesehen: die Oberlichter sind verdreckt und lassen nur noch diffuses Licht ein, Laub weht über den Boden, an den Wänden bröckelt der Putz. Und auch sonst scheint etwas nicht zu stimmen mit diesen Räumen, die – unbemerkt von den Figuren in Mary Chases Komödie – ganz eigene Rollen spielen. Leider ist das aber auch schon ziemlich das Interessanteste in der Inszenierung Mein Freund Harvey am Schauspiel Leipzig.

schwarzes gold und schwarze lunge – kroesinger untersucht die kohlegeschichte und -gegenwart der region

Wie Bewohner einer entfernteren Zukunft kommen sie in den Tagebau, der in der Diskothek des Schauspielhauses eher an einen lang gestreckten Stollen erinnert. Die sechs Spieler rollen ein auf den Schienen, wie sie einst dem Kohleabtransport dienten, in weißen Overalls, sich neugierig umblickend: was haben die Generationen vor ihnen hier in und mit der Erde gemacht? Am Freitag hatte Brennende Erde Premiere – in seinen stärksten Momenten stellt der Abend die richtigen Fragen und macht das Braunkohle-Drama der Region tatsächlich erfahrbar.

die nachwelt wird’s schon richten – schernikau ist bei stefan pucher nur bedingt volksbühnentauglich

„Ein Exzess“ sei dieses Buch und eine „Überforderung auf allen Ebenen“, schreibt Jasper Nicolaisen im letzten Oktober im Neuen Deutschland anlässlich der Neuauflage von Ronald M. Schernikaus legende. „Es ist dick. Es ist maßlos. Es ist alles reingeschrieben, was sein musste. Es ist komisch gesetzt. Es geht alles durcheinander. (…) Es spielt in den 80er Jahren, aber ohne Retrochic.“ Nun, das meiste davon ist Stefan Puchers 3,5 Stunden Inszenierung an der Berliner Volksbühne schon mal nicht. Eher im Gegenteil. Der roman-unkundigen Rezensentin macht es dennoch Lust aufs Lesen und eventuelle weitere Bühnenversuche.

tief im dunklen (deutschen) wald

Kurze Hosen, blinde Flecken, tückisches Dickicht und Jörg Hartmann als Lehrer auf schwer passierbaren Um- und Abwegen: An der Schaubühne Berlin zeigt Thomas Ostermeier Ödön von Horvaths Jugend ohne Gott als gleichzeitig heutiges und doch aus der Zeit gefallenes Gesellschaftsbild.

kommen’s, hier zieht es so grausam

Jürgen Kruse ist zurück und inszeniert in der Kammer des Deutschen Theaters einen Totentanz nach der Sperrstunde – irgendwo zwischen vorletztem und letztem Ort und mit allem Horvathschen Kleine-Menschen-Elend. Bsiweilen gerät das ein wenig zu unentschlossen und routiniert, in den besten Szenen aber ist es von theatermagischer Kraft. In der Mitte des düsteren Reigens dreht sich Linda Pöppels trotz besseren Wissens liebende, glaubende und hoffende und dabei ganz und gar betörende Elisabeth.

deutsche demokratische defizite – eine herkunftslücken-performance am lofft

Denen, die 1989 oder 90 noch in oder kurz nach der DDR auf die Welt kamen, ist quasi schon bei der Geburt ein Stück Heimat abhanden gekommen. Wie es ist, wenn es das eigene Geburtsland nicht mehr gibt, es aber natürlich trotzdem überall in der Kindheit spürbar ist, versucht Adele Dittrich-Frydetzki in ihrer Performance am Lofft erfahrbar zu machen und dabei ein paar ihrer biographischen Leerstellen zu füllen.

kein wunder geschehe – hawemann lotet in bonn nicht nur familäre schmerzgrenzen aus

Neuer Abend, neue Stadt, neues Theater – nach Sascha Hawemanns Dämonen-Premiere in Dortmund sind wir gleich noch ein Stück weitergereist: Am Bonner Schauspielhaus läuft seit Oktober eine Inszenierungdesselben Regisseurs. Vor Sonnenaufgang (in der Übertragung von Ewald Palmetshofer) ist ebenfalls eine großer Schauspielerabend, aber ein ganz anderer …

vor uns die sintflut – die mülheimer titanic will nicht untergehen

Im Mülheimer Theater an der Ruhr spielen die Enzensbörger fröhlich zum Untergang auf, während die Welt sich rückwärts immer weiter dreht und helle Spots die dunkelsten Ecken des Seins ausleuchten. Angerichtet hat diese düster-kluge Hans-Magnus-Enzensberger-Karussellfahrt der Leipziger Hausregisseur Philipp Preuss.