Erinnert ihr euch noch an Jorinde Dröses poetische Inszenierung des Waits-Wilson-Burroughs-Stückes mit Manuel Harder in der Hauptrolle? In Hannover ist jetzt sein Bruder Günther der Wilhelm. Premiere war im Februar im Ballhof Eins, der kleinen Spielstätte des Schauspiels.
Albrecht Hirche lässt Günther (der das kann!) nach eigener Aussage nicht klingen wie Tom Waits (was durchaus gut ist) und beginnt direkt mit dem Ende: Zu den Klängen von Lucky Day beugt sich ein entsetzter Wilhelm über das mausetote Käthchen, welches regenlos in einer Plastikfolienblutlache auf der sonst weißen, leeren Bühne liegt.
Diese füllen alsbald die Live-Damen-Band und die bunt-folkloristisch gekleidete und grell geschminkte Personage (Bühne und Kostüme ebenfalls Albrecht Hirche), die aus Burroughs trauriger Novembergeschichte eine liebenswert-gruselige, zum Teil herrlich alberne Freakshow machen. Dem Ballhof Publikum gewährt Hirche mit einem simplen Trick nicht die Draufsicht aufs Geschehen, sondern erlaubt einen Einblick von der Seite aus: Denn von rechts neben Bühne kommen die Spots, von dort brandet der Beifall eines viel größeren Hauses auf, dorthin spielen die Akteure – dort sitzt das eigentliche, imaginäre Publikum.
Eine noch bessere Idee ist aber die große Kugelbahn, auf der die – hier kindskopfgroßen – magischen Kugeln einmal um und einmal quer über die Bühne rollen, bevor sie ihr Ziel mit Teufels Hilfe treffen. Oder eben nicht – und so der unmöglichen Liebe der Jägerstochter zum Schreiberling ein dramatisches Ende bereiten. Günther Harder gibt diesen in Burschenschaftsuniform, mit Ränzlein auf dem Rücken und Nickelbrille auf der Nase zwischen hinreißender Naivität und liebenswerten Größenwahn. Sein Gegenspieler Beelzebub (Sandro Tajouri) hat sich gleich noch einen Helfer mitgebracht: Oscar Olivo bedient die fatale Kugelbahn und irrwischt ansonsten als Lehrling des Teufels ganz bezaubernd durch die Handlung.
Die wollen nur spielen! Hier ist alles Theater, selbst die Blutlache ist aus Plastik: Wie die Hannoversche Allgemeine treffend konstatiert, gelingt der Inszenierung ein sehr unterhaltsamer und durchaus neuer Blick – allerdings nur zum Teil auf den Schwarzen Reiter, vor allem aber auf’s Theater selbst. I’ll be back some lucky day …
Wieder am 29. April, 4., 9. und 10. Mai 2014