Hiob | Staatsschauspiel Hannover

are you happy now? – jonas steglich in hiob am schauspiel hannover

Am Schaupiel Hannover spielt jetzt auch Noch-Student Jonas Steglich - momentan als Gast, ab der nächsten Spielzeit fest im Ensemble. In Christopher Rüpings Adaption des Romans Hiob von Joseph Roth spielt er den Sohn Schemarjah - mit beeindruckenden Intensität in einem überzeugenden Ensemble.

© Karl-Bernd Karwasz
© Karl-Bernd Karwasz

Glück ist eine Kategorie, die nicht vorkommt im Leben des gottesfürchtigen Juden Mendel Singer, der im Schtetl mit einem schlechtbezahlten Lehrerjob seine Familie zu ernähren versucht. Das Leben zu fünft in dem kleinen Zimmer ist zwar eng und arm, aber in gottgewollter Ordnung – bis Mendel mit Menuchim ein behinderter Sohn geboren wird. Eine Prüfung des Herrn, der man in Mendels Welt mit des Rabbis statt mit ärztlicher Hilfe begegnet. Dieser Menuchim wird zurückgelassen, als die Familie dem älteren Sohn nach Amerika folgt. Aber dort, wo jeder alles können kann und seines Glückes Schmied ist, schlägt das Schicksal (oder Gott?) mit voller Macht zu. Mendels Söhne fallen im Krieg, die Tochter wird wahnsinnig, die Frau stirbt am Kummer und die Schuld ob des zurückgelassenen Jüngsten drückt. Da kann auch sich der frömmste Jude nicht mehr am Glauben halten. Oder?

Regisseur Rüping findet eindrucksvolle Bilder für Roths Geschichte. Teil eins wird als Schwarz-Weiß-Stummfilm hinter der Szene gespielt und auf eine bühnenfüllende Wand projeziert und macht die Enge des Lebens deutlich. Und die Distanz zum Hier und Heute gleich mit. Dabei ist der Mendel Andreas Grothgars mitnichten frömmelnd und bärtig, sondern überraschend froh im Glauben. Sein Weib Deborah hat sich bis auf gelegentliches Klagen gefügt; den Kindern dagegen ist dieses Dasein nicht genug. Nach und nach und nicht ohne Anstrengung wird die Wand an vielen Stellen durchbrochen. Man wagt den Aufbruch in ein eigenes Leben, auf das man doch im Innern so gar nicht vorbereitet ist.

Der genialste Schachzug aber: Sohn Menuchim, der an Epilepsie leidet, bekommt der Zuschauer gar nicht zu Gesicht. Denn er existiert nur in den Blicken der Anderen. Und umgekehrt: Wir sehen durch die Kameraführung die Welt durch Menuchims Augen. Was die Figur fühlbar zum Dreh- und Angelpunkt des Stückes macht, ohne dass sie auch nur einmal in Erscheinung treten muss.

© Karl-Bernd Karwasz
© Karl-Bernd Karwasz

In Amerika kommen alle Singers zunächst erstaunlich gut zurecht – sogar Mendel begibt sich ganz gern auf diesen way of life – bevor sich der Befreiungsschlag als Fluch des Höher-Schneller-Weiter entpuppt. Der zweite Teil des Abends ist der Kontrapunkt des ersten: Show und Glamour ersetzen die konzentrierte Innerlichkeit, schräge Einfälle die reduzierten Mittel und aus beiden Teilen zusammen entsteht ein wunderbares Ganzes, das den Kopf beschäftigt und ans Herz geht. In einem großartigen Monolog fragt sich Jonas Steglich als Neu-Amerikaner Sam, ob er denn nun glücklich sei? Aber was er auch erreicht, da muss doch noch mehr, noch Besseres, Tolleres sein! Immer höher schrauben sich die Erwartungen, erreichen am Ende sogar den Mond und sind doch nicht befriedigt, bis sie in der Sonne verglühen, ohne dass sie einen Sinn offenbart hätten.

Nach diesem Sinn, dem Warum von Leben und Leid fragt die Inszenierung. Und das tut sie ganz laut und ganz leise, streng schwarz-weiß und aufschreiend bunt, still poetisch und einfallsreich-schrill – und ist dabei in beinahe jeder Minute von einer beeindruckenden Intensität. Einzig am Ende, wenn der verlorene Sohn heimkehrt und vom Vater erkannt wird, geht es im einzelnen Spotlight auf komplett leerer Bühne ein wenig zu deutlich zu. Vielleicht hätte ein offeneres Ende besser zu den vielen offenen Fragen gepasst.


Wieder am 16. und 18. April und am 31. Mai 2014


 

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