in signas club inferno: wein aus dem bauchnabel und armdrücken mit penthesilea

Heute geht das aktuelle SIGNA Projekt „Club Inferno“ an der Berliner Volksbühne in die zweite Runde. Bis zum 21. April kann jener Club täglich außer montags besucht werden. centraltheaterfreunde.de-Autor Thomas Pannicke war zu einer Vorstellung im März in Berlin und hat sein Inferno schon hinter sich.

„Auf halbem Weg des Menschenlebens fand / Ich mich in einen finstern Wald verschlagen / Weil ich vom rechten Weg mich abgewandt.“

Die ersten drei Zeilen aus Dantes „Göttlicher Komödie“ stehen auf der Einladung zur neuen SIGNA-Produktion. Jene ist auch die literarische Basis des „Club Inferno“, zu dem die Gruppe um Signa und Arthur Köstler und die Berliner Volksbühne laden.

Vom rechten Weg abgekommen, ist es auch gar nicht so leicht, in diesen Club Inferno zu gelangen. Mit der Eintrittskarte darf man zunächst lediglich den Pavillon neben der Volksbühne besuchen, an dessen Eingang ein paar Obdachlose eine Bleibe gefunden zu haben scheinen. Während sie den Einlass in den Pavillon organisieren, betteln sie die Wartenden um Geld, Bier und Zigaretten an. Im Pavillon angekommen, schmiegen sich Damen in Abendgarderobe und Pelz an den Besucher und flüstern ihm schwer verständliche Worte ins Ohr. Schließlich wird man vor zwei grimmige Herren gerufen, die einem erklären, dass man vom rechten Wege abgekommen sei und im Club Inferno auf Hilfe hoffen könne. Ob man Zeit habe, heute Abend dorthin zu kommen? Kurze Zeit später hält man die Einladung in den Händen und überlegt, wie man denn nun am besten in die Gerichtsstraße in Berlin-Wedding kommt. Noch sind ein paar Stunden Zeit, bevor man Einlass in den Club Inferno begehren kann. Die vertreiben wir uns in zwei Weddinger Eckkneipen, allerdings nicht, ohne zuvor schon mal einen Blick auf das Areal zu werfen, das ein wenig an das Leipziger Spinnereigelände erinnert. Der Club Inferno ist noch verschlossen. Die dichten Gardinen vor den Fenstern lassen aber vermuten, dass dort nie Tageslicht hinein gelangt.

Viel Dante, Versuchung und Flucht

Pünktlich öffnet sich uns dann der Club, in kleinen Gruppen werden die Besucher eingelassen. Begrüßt werden wir vom Besitzer des Nachtclubs namens „Club Inferno“. Herbert Godeux (gespielt vom ehemaligen Skala-Schauspieler Sebastian Sommerfeld) erklärt uns, dass wir hier in seinem Club die einzelnen Höllenkreise kennenlernen werden. Vielleicht hätte es sich ja doch gelohnt, sich vor dem Besuch noch einmal intensiver mit der Göttlichen Komödie zu befassen? Erst im Nachhinein stelle ich fest, wie viele Szenen von Dante stammen: der Wald der Selbstmörder oder die Verräter Judas, Brutus und Cassius am tiefsten, kalten Grund der Hölle.

Club Inferno / Signa / Volksbühne Berlin
Club Inferno / Signa / Volksbühne Berlin Copyright: Erich Goldmann

Bevor man sich allein in diesen Höllenkreisen verirren kann, wird man einem der Malebranchen übergeben. Bei Dante ist das eine spezielle Gruppe von Teufeln. Hier sind sie als Clowns verkleidet, ihre Bosheit und ihre uneingeschränkte Macht über die in der Hölle „schmorenden“ Seelen, lässt aber keinen Zweifel an ihrer wahren Identität. Einer dieser Malebranchen führt mich in einen der Höllenräume, genannt die Wüste. Hier begegnen mir mehrere leicht bekleidete Männer – wie sich herausstellt, sind einige von ihnen selbst Besucher. Den Vorsitz führt hier Kapaneus, neben dem ich auf einem Sofa zu sitzen komme und der gleich beginnt, die Knöpfe meines Hemds zu öffnen. Dann taucht einer der Malebranchen auf und zwingt die Wüstenbewohner, zu tanzen und Geschlechtsverkehr mit einer Löwenfigur auszuüben.

Die Gelegenheit nutze ich zur Flucht, um die Wüste zu verlassen, ehe ich hier auch noch mit freien Oberkörper herumrenne und die verdammten Seelen Wein aus meinem Bauchnabel schlürfen. Zu sehen gibt es nun noch viel: den schon erwähnten Wald der Selbstmörder, in dem die Seelen von Malebranchen und Harpyien gequält werden, den Fährmann Phlegyas, der ein Boot über den Styx übersetzt, von dem ich aber lediglich mit Essigwasser getauft werde, einen dickleibigen, leichtbekleideten Koch, der mich mit Schokoladensauce füttert, eine Hure, deren Strafe darin besteht, dass ihr die Gliedmaßen immer und immer wieder abgeschlagen werden, prominente Tote wie Dido und Kleopatra und den ebenfalls schon erwähnten Judas am eiskalten Grunde der Hölle. Ich treffe auf eine an sich schon recht unfreundliche Penthesilea und ihre Amazonen, die aber richtig wütend wird, als ich sie beim Armdrücken gewinnen lasse.

Wenn man den bösartigen Streichen der Malebranchen-Clowns zusieht, könnte man manchmal denken, dass SIGNA uns hier direkt in die Hölle entführen will, aber so einfach ist es nicht. Immer, wenn Herbert (kostümiert als Vergil) auftaucht, weist er auch darauf hin, dass wir uns im Club Inferno befinden und uns Schauspieler bestimmte Szenen aus Dantes Inferno vorspielen. Es gibt natürlich auch „echte“ Nachtclub-Atmosphäre. Es laufen einige leicht bekleidete Damen herum, die dem Besucher ab und an um den Hals fallen oder sich einen Wodka ausgeben lassen. Bei einer Tombola nehme ich dann den Trostpreis mit, und nicht die fünf Minuten im Séparée mit einer der erwähnten Damen.

Der Club zu und alle Fragen offen

Ein Besucher fragt mich ganz konkret: „Sollen wir hier etwas über Machtstrukturen lernen?“ Das hört einer der Clowns (gespielt von Arthur Köstler), der uns daraufhin im Wiener Dialekt erklärt, dass wir doch hier nicht in der Schule seien, und wenn wir schon etwas lernen wollen, so vielleicht, dass man keine Sünden begehen solle, sonst müsse man in der Hölle dafür leiden, aber eigentlich sollten wir doch nicht über so etwas nachdenken, sondern uns im Nachtclub amüsieren. Etwas schade ist es, dass zwischen Einlass und der Schließung des Clubs gegen 0.15 nicht genug Zeit bleibt, um wirklich alle Höllenkreise richtig kennenzulernen. So bekommt man von vielen Dingen und Personen nur einen ersten und oberflächlichen Eindruck und verlässt den Club Inferno schließlich mit dem Gefühl, mehrfach wiederkommen zu müssen, um diese SIGNA-Performance in allen Facetten zu erleben.

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