Spielzeitauftakt 2013 | Schauspiel Leipzig

jetzt spielt doch! spielt!

Enrico Lübbes Spielzeitauftakt wurde mit großer Spannung erwartet, trat der neue Intendant doch mit dem Anspruch an, mit einem vielfältigem Programm ‚verlorene‘ Zuschauer heimzuholen und gleichermaßen jene zu halten, die unter Hartmann das Theater für sich entdeckt hatten. Fünf Premieren und eine Performance später kann man als gesetzt betrachten, was beim Studium des Spielzeitprogrammes nur böse Ahnung war: Das Gewicht liegt eindeutig auf Ersterem.

Othello (c) Rolf Arnold.
Othello (c) Rolf Arnold.

Klassiker to go?

Shakespeare, Grillparzer, Lessing. Drei Klassiker. Dreimal Liebe, Eifersucht, Intrigen; dreimal düstere, bildstarke Bühne; drei stark eingedampfte Fassungen; dreimal Statik statt Spiel; dreimal Stehparty statt Theaterfest. Es verwundert doch stark, dass sich drei erste Premieren in Folge so einig zeigen, anstatt theatrale Themen, Mittel und Möglichkeiten in ihrer Vielgestaltigkeit auszuloten und so Vorfreude auf eine abwechslungsreiche Spielzeit zu schüren.

Schon im bei Kathrin Röggla eigens bestelltem Lärmkrieg blieb unklar, warum ausgerechnet zur Eröffnung der Leipziger Intendanz die Frankfurter Bürgerwehr Fluglärmschäden verhandelt. Genauso wenig erschließt sich leider auch in den ungewöhnlich kurzen Theaterabenden Othello und Emilia Galotti auf der großen Bühne, weshalb um alles in der Welt der Regisseur gerade jetzt gerade hier gerade dieses Stück wählte.

Othello (c) Rolf Arnold.
Und dann (c) Rolf Arnold.

Die Verlierlinge sind hier die Gewinnlinge

Einzig Wolfram Hölls Und dann vermag sich in der Stadt und ihrer Geschichte zu verorten – eine atemlose Kindererzählung aus den Plattenbauten der Nachwendezeit um Verlust, Verlorenheit und die Leerstellen der Erinnerung. Claudia Bauers Inszenierung ist es denn auch, die aus dem konzeptionellen und ästhetischen Einheitsbrei des Eröffnungswochenendes wohltuend heraussticht – wie sie und ihre Darsteller diesen starken, assoziativen, rhytmischen Text aufnehmen, ihn anfüllen, befragen, mit ihm spielen – das ist absolut sehenswert.

Auf der großen Bühne gibt es vorn wie hinten klassisches Sprechtheater. Allerdings hinten das bessere. Das selten gespielte Des Meeres und der Liebe Wellen auf der Hinterbühne ist ästhetisch ein Genuss, sprachlich und darstellerisch überzeugend und durchgehend auf den Punkt inszeniert. Klar hat das seine Daseinsberechtigung und ebenso klar findet das sein Publikum. Problematisch hingegen und enttäuschend erscheint die Häufung dieser Art 1:1-Theater in einem Spielzeiteröffnungfestival, dass sich eigentlich Vielfalt auf die Fahnen schrieb.

Des Meeres und der Liebe Wellen. (c) Rolf Arnold.
Des Meeres und der Liebe Wellen. (c) Rolf Arnold.

Nichts unter der Sonne ist Zufall

Das wusste schon die lessing’sche Orsina und so ist dem Ganzen wohl eine konzeptionelle Absicht zu unterstellen. Offensichtlich – am Beifall ist’s deutlich zu hören – gibt es in der Stadt einen großen Hunger nach klassischem Sprechtheater. Vermutlich ist der wirtschaftliche Druck höher als gedacht und lässt die Macher in der Bosestraße mit mehr als nur einem Auge auf die Auslastungszahlen schielen. Die spekulieren somit wohl – zumindest zum Auftakt – mittels Unterforderung des Publikums auf volle Säle.

Emilia Galotti (c) Rolf Arnold
Emilia Galotti (c) Rolf Arnold

Bleibt die Frage, wie schnell dieses Publikum satt ist und was mit jenen Zuschauern wird, die im Theater gefordert werden möchten, die kein Textbebilderungstheater, sondern Brechungen, Deutungen und Interpretationsspielräume erleben wollen? Jene, die das neue Ensemble herzlich willkommen heißen und rufen möchten: Jetzt spielt doch mal, spielt! Und zwar nicht nur DEN Text, sondern MIT DEM Text, holt ihn ins Heute, zu uns, habt was zu sagen …

Die mögen sicher nicht die Höll’schen Verlierlinge sein, die der Centraltheater-Gletscher übrigließ. (Wer jetzt nicht weiß, was gemeint ist, dem sei ein Besuch der Diskothek zu Und dann empfohlen). Und so hoffen wir auf Michael Talkes Ivanov, Philipp Preuss‘ Reigen, Schmiedleitners Kabale und Liebe – kurz: auf vielfältigere Regiehandschriften im Laufe der – ja gerade erst gestarteten  – Saison. Schon am Freitag gibt’s Lulu!

 

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