der geizige: martin laberenz erfrischt ganz und gar nicht geizig am dt

Laberenz! Berlin! Kommmöddiiiiieeee! Seit letztem Mai wollen wir schon da rein, jetzt hat es endlich geklappt. Und was Regie und Ensemble da mit Molieres Geizigem anstellen, macht Riesenspaß, ist dabei hintersinnig, hochnotkomisch und in der karikierten Geiz-ist-geil-Mentalität topaktuell.

Regie und das großartige Ensemble halten über 3einhalb Stunden die Spannung und die Inszenierung auf Fallhöhe, schaffen den Spagat zwischen in der Geschichte bleiben und aus der Rolle fallen, zwischen schräg-überspannt und Figur-mit-Seele und erzählen dabei überraschend stringent die Story vom geldversessenen Harpagnon und seinem konsumfreudigen und liebestollen Nachwuchs.

Der Geizige, Deutsches Theater Berlin © Arno Declair
Im Vordergrund Ole Lagerpusch. Im Hintergrund MAGOT. MAGOT?  © Arno Declair

Herrlich etwa, wenn Sebastian Grünewald und Ole Lagerpusch in einer klassischen Palim-palim-Szene den Unterschied zwischen Kreditnehmer und Kreditgeber verhandeln, ebenso lachtränentreibend der Versuch Anita Vulesicas als Vollweib und Kupplerin Frosine, wenigstens ein bisschen der dringend gebrauchten Kohle aus dem alten Geizhals herauszukitzeln. Fast zärtlich, anrührend dagegen der gemeinsame Song nach der Pause oder Meike Drostes Mariane, die den besudelten La Flèche mit einem Kärcher wieder klarspült.

Der Abend ist ganz wunderbar durchkomponiert und legt, besonders im ersten Teil, ein bisweilen irrwitziges Tempo vor. Aber immer ist genügend Zeit für ein Zwischen-den-Zeilen, für Figuren, die mehr sind als bloße Karikaturen und für theatermagische Bühnen-Bild-Sound-Stimmungen aus Licht, Nebel und vor allem der Live-Musik von Friederike Bernhardt und Philipp Rohmer.

Der Geizige, Deutsches Theater Berlin © Arno Declair
Auch Frosine schafft es nicht. Anita Vulesica und Michael Goldberg. © Arno Declair

Nach der Pause gewinnt das Ganze nochmal an Tiefe, die Szenen beginnen zu zerfasern, von den Rändern her frisst sich drohend die Dunkelheit in die Szene. Am Ende ist trotz des Deux-ex-Machina Einsatzes von Maitre Simon hier nur scheinbar alles in Ordnung, denn als letzte, gemeine Pointe ist diesem durchtriebenen Cléante Ole Lagerpuschs der schnöde Mammon doch tatsächlich näher als neu die gewonnene Liebe …

Nach dreistundenzwanzig wischt sich die Rezensentin glücklich die letzte Lachträne aus dem Augenwinkel und hinaus geht’s in die Berliner Nacht – begleitet von latentem Wiederholungs-Drang und dem  Vorsatz gleich mal zu googlen, was die bühnenfüllende Leuchtschrift » M A G O T denn nun eigentlich bedeutet …


» Der Geizige, Deutsches Theater Berlin
Regie Martin Laberenz. Mit Michael Goldberg, Ole Lagerpusch, Franziska Machens, Andreas Döhler, Meike Droste, Anita Vulesica, Sebastian Grünewald und Harald Baumgartner. Musik: The New Roman Empire.
Wieder am kommenden Samstag, dem 7. , und am 15. November sowie am 2o. Dezember (dann schon um 18 Uhr mit Heimfahrmöglichkeit für Leipziger Gucker) und am 31. als Silvestervorstellung.

 

3 Comments

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  1. 1
    Thomas Pannicke

    Man müßte Martin Laberenz oder seinen Bühnenbildner fragen, aber ich persönlich denke, daß MAGOT hier einfach als französisches Wort für einen Batzen Geld steht, zu gut deutsch auch Zaster, Piepen, Kohle …

  2. 2
    miss laine

    Zu einfach ist doch aber auch doof, oder?
    In Paris gibt es übrigens das berühmte Café „Les deux Magots“ …

  3. 3
    Thomas Pannicke

    Hm, nicht so ganz eindeutig, die Google-Suche nach „magot“ oder? Glaube kaum, daß Martin Laberenz die berühmten Affen von Gibraltar ins Spiel bringen will. Vielleicht einfach mal in einem französisch-deutschen Wörterbuch nachschlagen? Geht auch online.

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