Ein Sommernachtstraum | Schauspiel Leipzig

lord, what fools these mortals be! – philipp preuss‘ sommernachtstraum eröffnet die schauspielsaison

If we shadows have offended,
Think but this, and all is mended,
That you have but slumber’d here
While these visions did appear.

Keinen zart-komischen Traum, einen zauberisch-bösen Alptraum serviert das frisch herausgeputzte Schauspielhaus als ersten Gang auf der großen Bühne. Einen gespenstischen Reigen aus Schatten und Licht, Lust und Schrecken, Klang  und Projektion. Auf der sich drehenden Bühne irren die ‚mortals‘ durch den Wald der Elfen wie durch die eigene Seelenlandschaft, die durchaus treffend mehr an Blair-Witch-Project als Verwirrungen in lauen Sommernächten erinnert.

Das (Morgen)grauen im Elfenwald © Rolf Arnold
Das (Morgen)grauen im Elfenwald © Rolf Arnold

Der Zauber wird hier nicht getröpfelt, sondern ergießt sich gleich in Bächen über Helena, Lysander, Komm-Her-Mia und landet natürlich auch reichlich auf Dem-Etrius. Das die Menschen hier nicht durch bloßes Augenreiben aus der Soße wieder herausfinden, versteht sich von selbst.

And this weak and idle theme,
No more yielding, but a dream,
Gentles, do not reprehend;
If you pardon, we will mend.

Wunderschön-düstere Bilder schafft Preuss mit viel Schatten und großartig gesetztem Licht (Carsten Rüger), mit Gesichtern, die als Projektionen auf Bäumen oder dem Gaze-Vorhang erscheinen – für kurze Zeit ins Licht getaucht, während man die Figuren dahinter mehr erahnt als sieht – um dann wieder im Dunkel zu verschwinden.

Eigenwillige Schatten spielen ihr doppeltes Spiel an der durchlässigen vierten Wand © Rolf Arnold
Eigenwillige Schatten spielen ihr doppeltes Spiel  © Rolf Arnold

Die Gewandhausmusiker spielen manchmal tatsächlich sehr schön Bartholdy, weben aber viel mehr an einem Es-ist-wirklich-alles-Live-Klangteppich, der so kunstvoll wie bedrohlich die Szenerie durchdringt.

And, as I am an honest Puck,
If we have unearned luck,
Now to ’scape the serpent’s tongue,
We will make amends ere long:

Und durch all das geistert: Puck. Markus Lerch im weißen Schießer-Trikot hüpft so beschwingt durch seinen Wald, dass man erst ganz allmählich drauf kommt, dass hier kein Kobold harmlosen Schabernack treibt, sondern ein Troll mit kalter Leichtfertigkeit die Fäden zieht in einem herrlich bösen Spiel um Verlangen und Abscheu, und Gier, und Lust und Furcht und Hass. Nee, um Liebe nicht.

Noch ein wenig mehr Vielschichtig- und Gleichzeitigkeit auf der dazu geradezu einladenden Bühne hätte man sich vielleicht gewünscht, um ein paar Längen des ersten Teiles einzudampfen und noch ein bisschen mehr von der traum-haften Verwirrung zu stiften. Aber geschenkt! Bildgewaltig, stimmungsgeladen, provozierend, Bravos und Buhs gleichermaßen herausfordernd – das war ein feiner Start in die neue Saison.

Else the Puck a liar call.
So good night unto you all.
Give me your hands, if we be friends,
And Robin shall restore amends.

Und während man beim Sonntagsspaziergang noch übers Chargieren der Zettelschen Schauspieltruppe inklusive Wand und Mond und Löwen schmunzelt, schielt man mal eben in heimlicher Erwartung einer bleichen Hand links ins Herbstlaub und riskiert einen Blick nach oben, um erleichtert festzustellen, dass es wirklich nur der Regen ist, der einem in die Augen fällt.

1 Comment

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  1. 1
    Thomas Pannicke

    Nach unzähligen drögen Theaterabenden aus der Mottenkiste des deutschen Stadttheaters, die man in den letzten zwei Jahren auf der großen Bühne des Leipziger Schauspiels sehen konnte (die zwei Ausnahmen Hamlet und Baal bestätigen die Regel), war ich vorsichtig geworden. Ein Sommernachtstraum mit Gewandhausmusikern, die die Musik von Mendelssohn Bartholdy spielen – war da etwa wieder etwas so unsäglich Tristes wie die Dreigroschenoper zu erwarten? Philipp Preuss hatte auf der Hinterbühne schon zwei vielversprechende Inszenierungen abgeliefert, aber würde man ihn auch auf der großen Bühne machen lassen? Gestern fand ich bestätigt, was sich der obenstehenden Kritik von miss laine entnehmen läßt: ein sehr gelungener Abend! Bravo!

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