nicht nur, was ihr wollt – die shakespearetage 2015 in berlin

Nachdem die Deutsche Shakespeare-Gesellschaft beschlossen hatte, ihre diesjährige Frühjahrstagung in Berlin durchzuführen, konnte man auf ein reichhaltiges Theaterprogramm hoffen. Letztendlich wurden an vier Abenden je drei Inszenierungen im Deutschen Theater und im Berliner Ensemble gezeigt, also sogar zuviel, um alles sehen zu können.

Trotzdem begann es mit einer kleinen Enttäuschung. Wegen Verzögerungen bei der Produktion „Faust 1+2“ von Robert Wilson wurde anstelle von Leander Haußmanns Hamlet am Eröffnungsabend » Was ihr wollt in der Regie von Katharina Thalbach gezeigt.

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Sabin Tambrea und Thomas Quasthoff in „Was ihr wollt“ © Thomas Eichhorn

Recht interessant las sich die Besetzungsliste des Stückes, in dem es bekanntlich um die Verwirrung der Geschlechter geht. Daß Viola mit einem Mann besetzt wurde, mag vielleicht noch als Rückgriff auf Shakespeares Zeiten gelten, Orsino aber von einer Frau spielen zu lassen, die trotz Brusthaartoupets nicht besonders männlich wirkte, war schon ungewöhnlich. Leider wurde aus diesen Voraussetzungen nicht viel gemacht. Im Gegenteil – an vielen Stellen fühlte man sich ins Boulevardtheater versetzt, nicht nur, wenn bei den diversen Gesangseinlagen das Publikum begann, rhythmisch zu klatschen. Dazu gab es viel Klamauk, so lief z.B. der Zweikampf zwischen Andrew Leichenwang und Viola/Sebastian als eine Art Ritterschlacht zu Rammstein-Klängen ab, wobei die Ritterrüstungen aus Pappkartons gebastelt waren. Positiv anzumerken bleibt aber Norbert Stöß in der dankbaren Rolle des Malvolio. In der Übersetzung von Thomas Brasch lautet sein letzter Satz „Ausrotten werd ich dieses Pack.“, ein Satz, der im Gedächtnis hängen blieb.

Außerdem zeigten dann Studenten von der Ernst-Busch-Schule im Pavillon des BE » Zwei Herren aus Verona in der Regie von Veit Schubert, der in „Was ihr wollt“ Sir Toby spielte. Ein selten gespieltes Shakespeare-Stück und das auch zu Recht. Es ist eines seiner frühen Werke und interessant ist dabei vor allem, daß etliche Ideen, die in späteren Stücken verarbeitet sind, hier schon einmal anklingen, während die Geschichte selbst doch recht krude ist. Was jedoch die Schauspielstudenten mit großer Spielfreude aus dieser Vorlage machten, war sehenswert. Ein kurzweiliger Abend mit einer Besonderheit: Es handelt sich hier um das einzige Shakespeare-Stück, in dem der Dichter einen Hund auftreten läßt. Zu einem richtigen Hund hat es hier zwar nicht gereicht, aber ein Dackel als Marionette tapste mehrfach über die Bühne und bekam auch Sonderbeifall.

Am Deutschen Theater gab es ein Wiedersehen mit bekannten Gesichtern. In » Macbeth spielte das ehemalige Leipziger Studiomitglied Timo Weisschnur. Wie vier weitere Schauspieler übernahm er gleich mehrere Rollen, lediglich Ulrich Matthes als Macbeth und Maren Eggert als Lady Macbeth hatten an diesem Abend durchgängig ihre feste Rolle. Inszeniert hatte Tilmann Köhler, der schon vor einigen Jahren mit einer interessanten Othello-Inszenierung bei den Shakespeare-Tagen in Weimar vertreten war und in letzter Zeit vor allem in Dresden gearbeitet hat.

Bei Macbeth beeindruckte zunächst das Bühnenbild – ein großer viereckiger Trichter, der sich nach hinten zu verengt – hier war durchaus Ähnlichkeit mit der Bühne in Sebastian Hartmanns „Woyzeck“ vorhanden. Erste Szene: Die bereits erwähnten fünf Schauspieler; die sich die Rollen teilen, kriechen aus dem Loch am Ende des Trichters auf die Bühne, kämpfen sich ineinander verknäult an den Bühnenrand, wo sie von unten einige Beutel auf die Bühne zerren, in denen sich ihre Kostüme befinden. Felix Goeser ist einer von ihnen und spielt auch den Banquo, dann kommt Macbeth dazu und dann beginnt es mit der Hexenszene. Seltsamerweise wirkt die Inszenierung aber nach der bildmächtigen Eingangsszene zunehmend blutleer, was nicht nur daran liegt, daß auf der Bühne kein Tropfen Theaterblut vergossen wird. Natürlich ist es ein Genuß, Ulrich Matthes zu sehen und vor allem zu hören, aber wirklich große Begeisterung will sich doch nicht einstellen. Nach reichlich zwei Stunden hat man noch einige beeindruckende Bilder gesehen – so in der Szene, in der Lady Macbeth wahnsinnig wird und sich in den Wänden des hölzernen Trichters Luken öffnen – doch letztendlich bleibt die Inszenierung hinter den Erwartungen, die das Bühnenbild geweckt hat, zurück.

Am Abschlussabend gab es dann noch einmal » Was ihr wollt, nun am DT und mit Anita Vulesica als Maria. Auch hier ein Regisseur, der einem eifrigen Besucher der Shakespeare-Tage bekannt ist: 2005 konnte man Stefan Puchers „Othello“ (u.a. mit Alexander Scheer, Wolfram Koch und Guido Lambrecht) am Hamburger Schauspielhaus sehen.

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Wolfram Koch und Anita Vulesica in „Was ihr wollt“ © Arno Declair

Wolfram Koch ist nun auch hier wieder dabei, als Malvolio. Und er weiß in dieser Rolle durchaus zu glänzen. Besonders der Umgang von Sir Toby und seinen Gesellen mit Malvolio, nachdem ihn Olivia für verrückt erklärt, bringt Szenen auf die Bühne, die so gar nicht zur Komödie passen – per Video wird uns gezeigt, wie Malvolio gefesselt und regelrecht gefoltert wird. Als gelungen empfand ich auch die Interpretation der Rolle der Viola. Mehrfach deutet Katharina Marie Schubert an, daß es sich hier vielleicht nicht nur um eine verkleidete Frau, sondern um eine gepaltene Persönlichkeit handelt. Sicher, vieles an diesem Abend ist stark überzeichnet, manches ist unnötig und albern – so die maritime Grundausstattung der Bühne, die zwar wegen des Schiffbruchs zu Beginn ihre Berechtigung hat, warum aber dann Orsino von Zeit zu Zeit mit einem U-Boot durch den Raum fährt, erschließt sich mir nicht (ahnliches gab es übrigens am BE zu sehen, wo der Narr in einem Regenschirm durch die Lüfte schwebte) – aber trotz dieser Kritikpunkte stand es am Ende der Shakespeare-Tage in Sachen „Was ihr wollt“ 1:0 fürs DT.

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