Für den zweiteiligen Ballett-Abend hat sich die Oper einen der erfolgreichsten Choreografen Frankreichs eingeladen. » Thierry Malandain hat Mozart à Deux mit seiner eigenen » Compagnie schon länger im Programm. Eigentlich besteht es aus fünf Tänzen, für Leipzig hat der Meister eine sechste Szene kreiert. Den zweiten Teil betreitet Glucks Don Juan. Sowohl musikalisch als auch thematisch sind beide Teile wunderbare Konterpunkte, zwischen denen der Abend in starken Bildern die ganze Zwiespältigkeit der Liebe zwischen Lust und Laster, Nähe und Distanz, Leidenschaft und Hass auffächert.
Reduziert, ja beinahe streng kommt dabei der Mozart-Part daher – eine Abfolge aus sechs in blaues Licht getauchten Pas-de-Deux auf leerer Bühne. Sechs Paare – man kann auch sagen: ein Paar. Oder: alle Paare, denn die immer gleiche Kostümierung verweist aufs Universelle – treten nacheinander auf und ab und jedes scheint in einem anderen Stadium seiner Beziehung zu stecken. Mit klaren Gesten und Bewegungen wird geliebt und gestritten, gibt es zurückhaltend-zärtliche erste Treffen und sehnsüchtige Blicke, leidenschaftlich-intensive Berührungen, aber auch getanztes nicht-mit-und-nicht-ohne-einander-Können oder gar Ohrfeigen und schlussendlich auch den Tod.
Wie das ewig Gleiche, das sich selbst erneuert, könnten diese Phasen der Liebe wieder und wieder aufeinanderfolgen; in immer neuen Paaren. Und immer in demselben. Die getanzte Beziehungsarbeit wechselt behende zwischen kräftigem Pathos und augenzwinkerndem Witz, ist schnörkelos-klar und im schönen Gegensatz zu Mozarts Musik, die den ganzen Beziehungsalltags-Nahkampf mit einer feinen So-ist-es-eben,-das-Leben!-Leichtigkeit würzt.
Im zweiten Teil treffen wir gleich drei der titelgebenden, unwiderstehlichen Don Juans. Drei ist hier sowieso die bestimmende Zahl: drei Ecken haben die Tischteile, die zu einer Hochzeitstafel oder gleich zum letzten (Abend)Mahl zusammengeschoben oder umgekippt und aufgerichtet zu Spiegeln werden, in denen die Dreieinigkeit aus Liebe, Tod und Teufel und nicht zuletzt natürlich auch die ganze Eitelkeit widerscheint. Dreierlei sind die Farben der wechselnden und jetzt wesentlich opulenteren Kostüme: rot wie die Liebe, schwarz wie der Tod und weiß wie die Unschuld. Und dreimal dürft ihr raten, wer am Ende gewinnt …
Die Juans sind umgeben von vielfachen, männlichen und weiblichen Versuchungen. Einzelne Tänzer treten aus der Gruppe heraus, um sich nach einer so kurzen wie leidenschaftlichen Affäre wieder darin zu verlieren. Sind es (abgelegte) Geliebte, neue Verheißungen oder schon rachedurstige Furien? Einer, der immer mittanzt, ist der Tod, und nicht nur einmal windet sich der Weiberheld, der sich gerade noch am Hochzeitsbankett wähnte, unter den rhytmischen Schlägen einer albtraumhaften, letzten Tafelrunde.
Ein wenig zu rund und glatt für den sprechtheatergebildeten Geschmack vielleicht, aber: wunderbare Musik, tolle Tänzer (unter denen vor allem Yan Leiva mit einer unglaublichen, lasziv-kraftvollen Bühnenpräsenz hervorsticht), starke Bilder – zurücklehnen und genießen, würden wir empfehlen. Hier ist sogar der Tod zum Sterben schön. Wer mag, kann im Nachgang die Story nachlesen und wird sicher einige der Motive einordnen können. Muss man aber nicht – die Geschichte dieses Gefangenen der eigenen Leidenschaften (und vor allem auch der Zuschreibungen der Anderen) versteht man auch so.
» Don Juan / Mozart à deux
2teiliger Ballettabend von Thierry Malandain | Musik von Christoph Willibald Gluck und Wolfgang Amadeus Mozart | Mit dem Leipziger Ballett
Nächste Vorstellungen am 22. April, 12. Mai und 9. Juni