richten sie die schleppe, schlampe!
die zofen in den cammerspielen

Ein enger, schwarzer Raum, darin ein Tisch als einziges Requisit, die vierte Wand schmückt eine schmale Spitzengardine - mehr braucht es auch nicht für die zwei Schauspielerinnen, die sich hier in knapp eineinhalb Stunden ein Leben erspielen, um ihr Leben spielen und selbiges am Ende verspielen.

Wer ist oben auf, wer ist unten? © Sebastian Schimmel
Wer ist oben auf, wer ist unten? © Sebastian Schimmel

Jennifer Demmel und Isa Etienne Flaccus sind die Schwestern Solange und Claire in der new cammer Inszenierung Die Zofen von Anna-Karoline Schiela. In Genets Rollen- und Rollentausch-Drama schlüpfen die Zofen, sobald sie allein, selbst in die Rollen der Gnädigen Frau und ihrer Dienerin. Sie bringen ihren Dienstherrn mit erfundenden Vorwürfen hinter Gitter und planen den Mord an ihrer Herrin … Bis sie selbst Wirklichkeit und Spiel nicht mehr auseinanderzuhalten vermögen.

You are my sister, we were born
So innocent, so full of need
There were times we were friends but times I was so cruel …

Die zwei jungen Frauen stecken in kittelähnlichen und dschungelgemusterten Kleidern, die sie gern mal ausziehen, um sie dann andersherum wieder anzuziehen. Der erwähnte Tisch entpuppt sich bald als Sinnbild des Lebensgefängnisses der beiden – aber keines mit starren Gittern, sondern eines mit dehnbaren Grenzen, denn die Seiten sind mit schwarzen Gummibändern bespannt und dass die sich weiten und dehnen können, macht die merkwürdige Aussichtslosigkeit, das Nicht-Hinaus-Können noch eindrücklicher und perfider.

Sie stecken fest: in der Dienerbeziehung zur unerträglich gütigen Herrin, vor allem aber in sich selbst und in der Hassliebe zueinander. Mit sich ständig vertauschenden Rollen spielen sie Herrin und Zofe und Zofe und Herrin und Zofe und Zofe – bis sich das Spiel verselbstständigt, Mordpläne gebiert und es kein Zurück mehr gibt.

Die Zofen sind Ungeheuer wie wir selber, wenn wir dieses oder jenes träumen
Jean Genet

Wie sich die beiden umkreisen, lieben, be-greifen, halten, abstoßen, verachten, trösten, beleidigen und verletzen, das ist intensives Schauspielertheater, bei dem die Zuseh-Freude von Minute zu Minute wächst und das auch nicht der – wenn auch bitteren – Komik entbehrt.

Anna-Karoline Schiela hat Genets Zofen nicht neu erfunden. Es gelingt ihr aber ein feiner, ein leiser und vielschichtiger Schauspielerinnen-Abend, der zu fesseln und zu unterhalten versteht – bis am Ende der kalte Gardenal-Lindenblüten-Aufguss als letztes Heilmittel bleibt, mit dem der Tod den Schlussstrich zieht. Oder ist auch der nur zurechtgedichtet?


» Die Zofen
Jean Genet. Regie: Anna-Karoline Schiela. Es spielen Jennifer Demmel und Isa Etienne Flaccus
Cammerspiele | new cammer

Nächste Vorstellungen 25., 26. und 27. März, jeweils 20 Uhr

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert