Blog

im digitalen nirgendwo – ein internet-premieren-protokoll in verteilten rollen

Kein gestreamter Vorstellungs-Mitschnitt, kein Küchenbretter-Theater, sondern eine ganze Theaterproduktion macht aus der Not eine Tugend und zieht in den digitalen Raum. Philipp Preuss & Team hätten mit Kafkas „Schloss“ am 25. April Premiere auf der großen Bühne gehabt, gestern nun gab es „k.“ Folge eins von vier im Netz. Wir haben uns zum Gucken verabredet: mit franzjakk, der ehemaligen reihesiebenmitte-Korrespondentin in Hamburg, die sich schon vorab ein paar unredigierte Sofagedanken macht. Für sie, für uns, für euch, für alle sicher vor allem eins: EIN EXPERIMENT!

zu kurz gesprungen, hase – die neue schauspiel-komödie kann nicht so recht überzeugen

Dass das hier wohl nicht nur ein lockerleichter Boulevard werden soll, sieht man auf den ersten Blick. Dafür hat das Zuhause der Familie Dowd, das sich später in ein Sanatorium (und zurück) verwandelt, eindeutig schon bessere Tage gesehen: die Oberlichter sind verdreckt und lassen nur noch diffuses Licht ein, Laub weht über den Boden, an den Wänden bröckelt der Putz. Und auch sonst scheint etwas nicht zu stimmen mit diesen Räumen, die – unbemerkt von den Figuren in Mary Chases Komödie – ganz eigene Rollen spielen. Leider ist das aber auch schon ziemlich das Interessanteste in der Inszenierung Mein Freund Harvey am Schauspiel Leipzig.

schwarzes gold und schwarze lunge – kroesinger untersucht die kohlegeschichte und -gegenwart der region

Wie Bewohner einer entfernteren Zukunft kommen sie in den Tagebau, der in der Diskothek des Schauspielhauses eher an einen lang gestreckten Stollen erinnert. Die sechs Spieler rollen ein auf den Schienen, wie sie einst dem Kohleabtransport dienten, in weißen Overalls, sich neugierig umblickend: was haben die Generationen vor ihnen hier in und mit der Erde gemacht? Am Freitag hatte Brennende Erde Premiere – in seinen stärksten Momenten stellt der Abend die richtigen Fragen und macht das Braunkohle-Drama der Region tatsächlich erfahrbar.

wir können alle nur lernen, pflichtfach: wahrhaftigkeit

Im letzten Oktober ist der Dieter Jaßlauk im Alter von 85 Jahren gestorben. Philipp Preuss, in dessen Inszenierungen von Der Sommernachtstraum und Peer Gynt der Leipziger Schauspieler zuletzt spielte, schickte eine Grußbotschaft zur Gedenkfeier ins Leipziger Schauspielhaus, vor allem aber nach oben, zu Dieter.

nachklapp | cristiana morganti auf der schauspielbühne

Die 29. Ausgabe der euro-scene bot wie gewohnt eine interessante Mischung von Gastspielen aus verschiedenen europäischen Ländern im Bereich Tanz und modernes Theater. Einer der Höhepunkte aus meiner Sicht war dabei das Gastspiel der italienischen Tänzerin Cristiana Morganti.

erinnern kann ich mich nicht – palmetshofers unverheiratete als kammer- und sprachspiel in der diskothek

Die Frau, die hier in der dunklen Bühnenmitte auf einem Stuhl sitzt, ist jung. Aber auch sehr alt. Von einzelnen Spots wird sie in warmes Licht getaucht, beide Füße sind fest nebeneinander auf den Boden gepresst, als würden sie ihre verlorenen Wurzeln suchen. Marie Rathscheck ist die alte-junge Unverheiratete in Ewald Palmetshofers gleichnamigen Stück, das Ilario Rascher für zwei Aufführungen als ziemlich intensives Kammer-Sprachspiel und konsequente Innensicht auf die Diskotheksbühne gebracht hat.

forever young? no chance, wayne.

Fünf weiße Ballons hängen dann und wann am Bühnenhimmel – über dem Geschehen schwebende Projektionsflächen, in denen die Spielergesichter – ihren Rollen durchaus angemessen – hübsch verzerrt erscheinen. Zu den Bilder passen die Stimmen der Spieler – von leicht verzerrt über hysterisch bis zu absolut schrill, wenn Brian Völkner am Piano Forever Young a-toniert. Als Mischung aus schrägem Filmset und bösem Zirkus der Eitelkeiten haben Claudia Bauer und Team (Bühne: Andreas Auerbach) Tennessee Williams‘ Süßer Vogel Jugend auf die Leipziger Schauspielhaus-Bühne gestellt – und lassen – wer hätte anderes erwartet – keine heile Feder an ihm.

delay am drehkreuz der geschichte(n) – philipp preuss & team gelingen bezwingende klangbilder in der diskothek

Der Blick in der dusteren Diskothek des Leipziger Schauspiel fällt zuallererst nach draußen, denn die Fenster sind an diesem Abend nicht verhangen. Auf dem Innenstadtring fahren am Sonntagabend einige wenige Autos und eine Straßenbahn vorbei, entfernt erkennt man ein paar einzelne Passanten. Der Theaterraum erweitert in die Stadt, schön, das fängt gut an. War da grad ein blauer Trabi? Doch schon holt uns der Hörsinn – und der wird an diesem Abend noch ganz wunderbar beschäftigt werden – wieder nach drinnen.