unverzichtbar für eine welt der vielen: für den erhalt der theaterwissenschaft in leipzig

Knapp drei Wochen wissen Studenten und Lehrkräfte, dass die Schließung ihres Institutes quasi beschlossene Sache ist. Die dagegen ins Leben gerufene Online-Petition hat schon über 11.000 Unterzeichner. Wir haben heute ein sehr lesenswertes Plädoyer für den Erhalt der Theaterwissenschaft - mitten aus der Studentenschaft.

Liebe Luftburgen,

die BabylonerInnen, die euch errichteten, hatten keine Ahnung von dem Sturm, den sie heraufbeschworen, als sie versuchten eine breite Allee in das Luilekkerland zu bahnen. Wir wollen keine zugerufenen Belehrungen von toten Moralaposteln. Der von euch Unsteten ausgehende Zauber lockt uns wie die Bären der Honigtopf. Wir verzichten munter auf den einen Weg zum Wissen und irren Honig ahnend in den sich stetig wandelnden Hallen umher. Wir treten allen Propheten in den Allerwertesten und lernen lieber von den Eseln das störrisch sein gegen eine Behauptung von Notwendigkeit, die aus Dresden kommt.

Ankunft im Schlaraffenland. Ausschnitt aus dem Gemälde von Brueghel, dem Älteren. Foto: Wikipedia
Ankunft im Schlaraffenland. Ausschnitt aus dem Gemälde von Pieter Bruegel, dem Älteren. Foto: Wikipedia

Die Theaterwissenschaft vermittelt ihren StudentInnen Werkzeuge zur Analyse von Wissen. Unsere gegenwärtigen Wissenserhebungsverfahren und Wahrheitsdebatten sind sehr stark geprägt von engen Definitionskorridoren. Alle Wahrheit und alles Wissen was nicht mit einer bestimmten Logik generiert wurde gehört nicht dazu. Diesem Ausschluss folgt die Diffamierung als falsch und, in unserer Zeit von weitaus größerer Bedeutung, als nicht-effizient. Die Theaterwissenschaft versucht innerhalb dieser elitären Gruppe von WahrheitskonstrukteurInnen Perspektiven auf eine Welt voller sich widersprechender Wissensformationen und gegensätzlicher Wahrheitsbehauptung aufzustoßen, die ihr hauptsächlich – aber nicht ausschließlich – aus dem Betrachtungsgegenstand Theater zufließen. Eine solche Relativierung von (Macht)Monopolen begreife ich, ein Student der Theaterwissenschaft, als wichtige Aufgabe für eine sich im Wissen um die unumgänglichen scheinbaren Notwendigkeiten vergessende Gesellschaft. Geisteswissenschaften sind unverzichtbar für eine Welt der Vielen.

Richard Wagner studiert seit nunmehr fünf Jahren Theaterwissenschaft mit der Nase in Theatern, Büchern, Vorlesungen und anderen Ländern auf der Suche nach einem anderen Erlebnis von Theater. Vermerk: Bisher hundertmal fündig geworden, aber ohne Erleuchtung geblieben.

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