wie baal einst liebte, als baal war

Was für ein toller Text, der Brecht'sche Baal, denkt man des öfteren am Freitag Abend im Schaupiel Leipzig, an dem sich Nuran David Calis die erste Fassung des Dramas vorgenommen hat und Sebastian Tessenow einen großartigen Baal spielt, einen, den man so noch nicht gesehen hat.

Als im dunklen Erdenschoße faulte Baal
War der Himmel noch so groß und still und fahl
Jung und nackt und ungeheuer wunderbar
Wie ihn Baal einst liebte, als Baal war.

Sebastian Tessenows BAAL © Rolf Arnold
Als Einziger geerdet: Sebastian Tessenows BAAL © Rolf Arnold

Statt dunklen Spelunken, Erde, Dreck, Geilheit und Rausch auf der Bühne ein weiß gefließter Raum ohne Ausgang und -weg. Ein Operationssaal, ein Schlachthaus. Hinten an der Wand ein Häufchen Baal, das in den nächsten zwei Stunden kämpft, säuft, sich windet und zweifelt, einen Ausweg sucht und sich müht am Versuch, diesen reinweißen und requistitenlosen, diesen kalten Spielraum wenigstens ein bisschen zu verdrecken.

Baal ist asozial, aber in einer asozialen Gesellschaft.

Die anderen, das sind bei Calis bloße Stichwortgeber, augenschmerzbunte Schablonen, die meist nur die Lippen bewegen, zu hohlen Worten aus dem off. Ein schreckliches Kasperltheater, zu dem der Dichter Baal doch gehören möchte aber auch wieder nicht und man ihn nicht lässt ihn aber auch nicht lässt. Das ist beileibe kein unstimmiger, aber doch ein arg plakativer Kontrast zwischen bunt und schwarz, zwischen seelenlosen Marionetten und sich selbst vernichtender Lebensfülle.

und seine kunterbunten Schreckgespenster © Rolf Arnold
und seine kunterbunten Schreckgespenster © Rolf Arnold

Aber erstaunlich! In diesem Setting wird Brechts Baal fast zu einem faszinierenden Monolog. Der Baal, der strauchelt durch die Stationen seines Dramas, trifft seine Gespenster, scheitert, steht wieder auf, fällt erneut. Ein wenig ist es, als hätte er alles schon hinter sich, als könnten wir direkt in seinen Kopf sehen.

Und die Frage, ob die, die er einst traf, vögelte, gegen die er ansoff und dichtete, die er mordete; ob die nicht eher Schatten sein müssten denn so rummelbunte Aufziehspieler, verliert sich in der Bewunderung für den subtileren Kontrast des Abends und seinen Schauspieler: Denn dieser Baal Sebastian Tessenows, der ist so unglaublich jung und zugleich so alt, so schwach und so stark, so lebenshungrig und so müde. Und ungheuer wundersam.


» Baal
Nächste Vorstellungen am 12. und 18. Juni und am 2. und 8. Juli

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