wie der glanz über dem leben, der glanz, dem die kunst ihm verleiht. ist das die faszination des fliegens?

Wie von einer frischen Brise getrieben flattert sie herein am 15.06. zum Stammtisch Late-Night-Special: Birgit Unterweger, die 1976 in Linz geborene Schauspielerin.

Als wäre die langsam sich wechselnde Tageszeit ein selbstverständlicher Kommentar ihrer selbst, nimmt sie Platz und gibt sich mit einer warmen, offenen Höflichkeit hinein ins Geschehen. Eine wie sie vertraut sich an, mit Freude erzählt sie. Von der Kindheit, die sie bis zu ihrem fünften Lebensjahr in Indien verbrachte. Von der Tante Almut Zilcher, die 1954 in Graz geborene Schauspielerin, die ihr großes Vorbild wurde. Die positive Erfahrung als eine der vier Elfen in Leander Haußmanns Sommernachtstraum bei den Salzburger Festspielen geben ihr die nötige Sicherheit und sie beginnt die Ausbildung an der Hochschule für Musik und darstellende Kunst in Salzburg. Dort begegnet sie Michael Gruner. Der inszeniert am Nationaltheater Weimar und will sie dort für eine Hauptrolle. Vor die Wahl gestellt bricht sie Schauspielschule ab und zieht, 19 Jahre alt, mit zwei Koffern nach Weimar. Wenn sie dann schildert, wie sie mit dem unbekannten Objekt Kohleofen ringt, um die erste Nacht sich dann eben in sieben übereinander getragenen Pullovern zu wärmen, blitzt da etwas auf von der unverbrüchlichen Leidenschaft ihrer Künstlerseele. Es sind lehrreiche gute Jahre. Aber sie geht, weil sie die Enge der Stadt, den Widerspruch zwischen dem Suchen nach Freiheit durch und in der Kunst und dem entsetzlichen Mahnmal für die totale Vernichtung all dessen, Buchenwald, nicht aushält. Wieder folgt sie Gruner, ihrem Lehrer.
Dortmund, ein neuerlicher Kulturschock. Auch den bewältigt sie und erhält 2003 die Auszeichnung „Nachwuchsschauspielerin des Jahres in NRW“. Erfolgreiche Jahre, Hauptrollen, spannende Projekte. Trotzdem geht sie, Verlassen um sich neu erfahren zu können. Spielräume erkunden, um der androgynen Kraft ihrer Imagination neue Nahrung zu bieten. Sich bloß nicht festlegen lassen.

Birgit Unterweger (rechts) in REFUGIUM / Skala. Photo: Rolf Arnold/CT
Birgit Unterweger (rechts) in REFUGIUM / Skala. Photo: Rolf Arnold/CT

Was das heißt, zeigt sie seit 2008 am Centraltheater in Leipzig. Sie spielt unter Kruse im schon legendären Don Juan. Auf der kleinen Bühne in Idioten, Deutschland tanzt nicht oder Refugium formt sie aus dem Eindimensionalen mit großer Kraft Figuren, die kantig sind. Oft im abseitigen existieren und in ihren Brüchen Fragen an das Sein oder das Sein so radikal in Frage stellen, dass es schmerzt. Dies mit vollem Krafteinsatz ihres Körpers oder in der kompletten Reduktion des Selben. Wenn sie in Die letzten Tage von L: die west-östliche Diva Ronald M. Schernikau in einer Perfomance in seiner androgynen Schönheit von den Toten auferstehen läßt, bekommt man eine Ahnung, zu wie viel mehr sie in der Lage ist. In ihrer unaufgeregten Art hat sie sich mit hoher Präsenz wie in Kirschgarten, Paris Texas, Zauberberg, Pension Schöller, aktuell in Der gute Mensch von Sezuan nach vorne gespielt. Ob Jugendliche, Norne, Medium, Gottheit, Kantinenangestellte in Braune Kohle, man nimmt ihr alles ab. Sie ist eine großartige Schauspielerin, die sich stets erneuert im magischen Raum der Visionen. Sie geht weite Wege auch mit, doch wer denkt sie ließe sich bevormunden, irrt. Sie will Führung, damit sie in die Tiefe ihrer Figur dringt. Verführen läßt sie sich nur ins Spielen. Das ist ihr Leben: so wie sie ihr Herz auf die Bühne legt, sollte man sie gut hegen. Sie ist etwas besonderes, sie hat die Kraft zu fliegen.

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