alles fließt und nichts bleibt, es gibt nur ein ewiges werden und wandeln.

Am 7. Mai war Guido Lambrecht, der in Dessau geborene Schauspieler und einer der beiden Preisträger des Theaterpreises 2010 des Freundeskreis Schauspiel Leipzig e.V., Gast des Stammtisch Late Night Specials.

Trotz der vorgerückten Stunde, nach dreieinhalb Stunden Aufführung, kommt er mit einer ihm eigenen wachen Präsenz. Setzt mit dem Hinweis auf seine frische Vaterschaft den Rahmen, taucht ein in das kleine Publikumsgespräch.

Guido Lambrecht mit Kathrin Angerer in Sebastian Baumgartens Inszenierung DER GUTE MENSCH VON SEZUAN
Guido Lambrecht mit Kathrin Angerer in Sebastian Baumgartens Inszenierung DER GUTE MENSCH VON SEZUAN

Mit sieben Jahren wußte er schon was er werden wollte. Man nimmt es ihm ab. Er beschreibt Stationen wie die Anfänge am Theater als Statist in Dessau, die Ausbildung zum Elektronikfach-arbeiter, das Absolvieren des Wehrdienstes, immer mit dem Blick auf das für ihn Wesentliche: die Kunst. Dann Studium an der Hochschule für Schauspielkunst „Hans Otto“ in Leipzig. Stets auf Augenhöhe mit den gesellschaftlichen Be-dingungen erschließt sich aus seinen Erzählungen sein Handeln: dieses im besten Sinne sich seiner selbst sicher zu sein. Es sind prägende Erlebnisse wie diese: 1988 als Student mit Kommilitonen statt dem verordneten Armeedienst, durchzusetzen, daß dieser in der Produktion abgeleistet werden konnte. Aber auch, dass in dem großen gesellschaftlichen Umbruch ein Aufruf zur Möglichkeit eines dritten Weges selbst von fortschrittlichen Kräften abgelehnt wurde. Daraufhin verschafft sich diese Position in einer eigens organisierten Demo die Möglichkeit zur Artikulation.

Diesen an dem Widerstand gegen die Widerstände erprobten Mut, diese Kraft neben seinem scharfen intellektuellen Blick, trägt ihn wohl durch sein Schauspieler-Leben. Grenzüberschreitung als innere Triebkraft, nicht in unreflektierter Waghalsigkeit, sondern aus der Einsicht in die Stetigkeit des Wandels. Das er dies in seine Schauspielkunst fließen läßt, zeigt sich an dem Facettenreichtum seiner Rollen: Macduff in Macbeth, Mann in Publikumsbeschimpfung, Jamie in Eines langen Tages Reise in die Nacht, den Christian in Das Fest, Hans Castorp in Der Zauberberg und jetzt ganz aktuell in einer Doppelrolle in Der gute Mensch von Sezuan. Sein Shu Fu wirkt, als hätte er ihn über den zeitgenössischen Ausdruckstanz her zur Figur entwickelt, leicht angeschrägt, im Sinne dieser frischen filmischen Ästhetik des Stückes.

Für ihn kann es keinen besseren Platz geben, als den „auf den Brettern, die die Welt bedeuten“. Es geht ihm dabei auch immer um dieses Mehr, um diese Konstante im Wandel, die über ihn selbst hinaus weißt. Dafür geht er auch abseits der Wege, geht als wirklich großer seiner Zunft an eine „kleinere Bühne“, um mit viel Kraft in eine gemeinsame Vision zu investieren: dieses alte Medium Theater zu erneuern. Auch dafür wurde er ausgezeichnet.

Geduldig beantwortet er noch zwei weitere Fragen und vollzieht freundlich und behutsam den Wandel ins Private und geht. Einen wie ihn aus der Nähe erlebt zu haben, ist ein Privileg.

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