anregend und streitbar – romulus der große in weimar

Friedrich Dürrenmatts „ungeschichtliche Komödie“ Romulus der Große ist selten auf der Bühne zu sehen. Ich kann mich nur an eine Aufführung erinnern, die ich Anfang der 90er Jahre im Neuen Theater Halle besuchte. Nun steht das Stück auf dem Spielplan des Deutschen Nationaltheaters Weimar, Regie: Thomas Dannemann. In der Hauptrolle: Ingolf Müller-Beck. Grund genug für eine Reise nach Thüringen!

Dannemann ist dem Leipziger Theaterfreund kein Unbekannter, hat er doch hier im Oktober 2014 einen Hamlet auf die herausgebracht, der nach einem Jahr „klassischen Sprechtheaters“ endlich mal ein bisschen Bewegung auf die große Bühne des Leipziger Schauspiels brachte. Die Inszenierung war umstritten, nicht zuletzt, weil Dannemann bemüht war, das Original mit allerhand aktuellen Texten zu ergänzen. Das war mal mehr, mal weniger gut gelungen, und ganz ähnlich ist der Regisseur jetzt auch in Weimar vorgegangen.

Romulus, der Große © Candy Welz
Romulus, der Große © Candy Welz

Recht zwiespältig waren die Premierenkritiken, von falscher Aktualisierung war da sogar die Rede. Bei Dürrenmatt geht es um Romulus, der der letzte Kaiser Roms ist. Er beschäftigt sich mit Hühnerzucht und verweigert jede politische Aktivität. Sein Ziel ist es, den Untergang Roms herbeizuführen, diesen hätte es sich in seinen langen ruhmreichen Jahren endlich verdient. Da kommen die heranrückenden Germanen gerade recht. Dass deren Führer Odoaker gar nicht der große Kriegsmann und Eroberer ist, den Romulus in ihm vermutet, ist die Pointe des Stücks. Die kommt naturgemäß am Ende, zuvor bemüht sich die Inszenierung, Analogien zur Gegenwart herzustellen.

Was aber gar nicht so 1:1 möglich ist. Steht das heruntergekommene Römische Reich wirklich für die EU? Und die Germanen für die Flüchtlinge? Warum rollen dann aber Fußbälle über die Bühne, wenn die Germanen erscheinen? Für wen ist denn der Fußball heute fast schon ein religiöses Symbol? Wo ist der Fußball zu einem Wirtschaftszweig geworden, mit dem sich – auch mit unlauteren Mitteln – viel Geld verdienen lässt? Die Römer fliehen indes vor den Germanen auf Schlauchbooten übers Mittelmeer.

Romulus, der Große © Candy Welz
Romulus, der Große © Candy Welz

Logisch sind also die Aktualisierungen nicht durchweg, aber sollten sie es denn sein? Vielleicht hat hier der Regisseur „nur“ versucht, in einem über 60 Jahre alten Text Dinge zu finden, die uns heute ganz konkret angehen. So wirken die aktuellen Anspielungen wie zufällig und wollen sich nicht durchgängig zu einer stimmigen Geschichte formen. Manchmal geht das alles etwas zu sehr ins Kabarettistische, so wenn am Anfang und am Ende nach Frau von der Leyen, Herrn Seehofer, Herrn Gabriel gerufen wird.

Aber ist es nicht besser, ein Regisseur schafft es, mit seinen Ideen zum Nachdenken und auch zum Widerspruch anzuregen, als wenn er gar keine Ideen hat und lediglich gelangweiltes Gähnen hervorruft? Dass man sich dann über die Regiearbeit durchaus streiten kann, sollte man doch positiv sehen.

Romulus, der Große © Candy Welz
Romulus, der Große © Candy Welz

Nicht zu streiten braucht man sich über die Leistungen der Schauspieler. Ingolf Müller-Beck als Romulus und Sebastian Kowski als Odoaker sind da besonders hervorzuheben. Wobei Romulus natürlich das Stück dominiert, während Odoaker nur einen kurzen Auftritt hat. Wie sie den dann aber gemeinsam gestalten, ist äußerst gelungen und komisch. Wer also den ehemaligen Leipziger Centralschauspieler Ingolf Müller-Beck wieder einmal auf der Bühne sehen will, dem sei die Reise nach Weimar empfohlen, nächste Gelegenheit am 11.12.15.

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