auf walfang in der ostsee – moby dick in der seebühne hiddensee

An die Ostsee fährt der kulturverwöhnte Großstädter wohl vor allem, um Sonne, Meer und Natur zu genießen. Die Insel Hiddensee zeigt aber, dass man beim Ostseeurlaub nicht auf Kultur verzichten muss. So klein die Insel auch ist, sie hat ein eigenes Theater - die Seebühne Hiddensee.

Vor 20 Jahren vom Puppenspieler Karl Huck gegründet, hat die Seebühne mittlerweile ein ansehnliches Repertoire. Steht man vor dem flachen Gebäude in Vitte, glaubt man zuerst nicht, dass sich darin ein komplettes Theater mit Foyer, Zuschauerraum und Bühne befindet.

Seebühne Hiddensee © Benjamin Weinkauf
Seebühne Hiddensee © Benjamin Weinkauf

Zugegeben: sehr geräumig ist es nicht. Ich hatte kürzlich die Gelegenheit, dort eine Fassung des Romanklassikers „Moby Dick“ zu sehen. Die Geschichte vom Wal passt natürlich zu einer Seebühne, auch wenn man in den Gewässern um Hiddensee in der Regel keine Wale beobachten kann.

Melvilles mehrere hundert Seiten langer Roman, der wohl eher in gekürzten Fassungen oder als Verfilmung bekannt geworden ist, ist ein Klassiker der Moderne. Neben der eigentlichen Geschichte der Jagd auf den weißen Wal bietet „Moby Dick“ in vielen Kapiteln Exkurse in verschiedenste Wissensgebiete, die schwierig auf die Bühne zu bringen sind. Holger Teschke, früher als Dramaturg u.a. am Berliner Ensemble tätig, hat hier Regie geführt und sich in seiner Fassung auf wenige Personen und Handlungselemente konzentriert, so dass der umfangreiche Roman zu einer einstündigen Bühnenfassung geworden ist.

Da ist der ehemalige Walfänger Ismael, der sich als alter Mann an seine Fahrt mit der „Pequod“ erinnert. Unterstützt wird er von zwei Puppen. Eine alte Schiffsratte namens Kowalski übernimmt die Rolle des Ahab, sehr passend, da sie wie dieser nur noch ein Bein hat. Die zweite Puppe stellt den Harpunier Queequeg dar, erinnert eher an eine Figur aus einem Völkerkundemuseum und wird nur wenig direkt in die Handlung einbezogen.

"Moby Dick" © Seebühne Hiddensee/Wiebke Volksdorf
„Moby Dick“ © Seebühne Hiddensee/Wiebke Volksdorf

Das Spiel übernimmt Karl Huck, der auch noch weiteren Personen seine Stimme leiht. So ist man bald auf hoher See, beobachtet dahinziehende Walschulen, lauscht den rauhen Späßen der Matrosen, erlebt schließlich die erfolgreiche Harpunierung eines Wals, aus dessen Speck Tran gekocht wird. Hier gerät Karl Huck so richtig in Fahrt, es ist die wohl intensivste Szene des Abends.

Zum Ende hin wird schließlich der Vorhang, der bis dahin noch einen Teil der Bühne verdeckte, aufgezogen. Ein kleiner Ausschnitt eines Pottwals wird sichtbar, sein Auge vielleicht in natürlicher Größe. Ahab alias Ratte Kowalski feuert die Mannschaft zur finalen Jagd auf Moby Dick an. Dieser eigentlich emotionale Höhepunkt des Romans gerät auf der Bühne etwas knapp, möglicherweise bekommt ein Zuschauer, der die Geschichte nicht kennt, nicht ganz mit, was da gerade eigentlich passiert. Das löst sich auf, als Ismael dann berichtet, wie er sich an Queequegs Sarg klammert und so – gemeinsam mit der Schiffsratte Kowalski – zum einzigen Überlebenden der Jagd auf Moby Dick wird.

Am Ende viel Beifall vom ausverkauften Haus und das völlig verdient. Wer demnächst auf Hiddensee weilt, sollte sich einen Besuch in der Seebühne in Vitte nicht entgehen lassen und daran denken, dass man sich eine Karte zuvor auf einem Stück Papier am Eingang jederzeit reservieren kann.


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