Erstmal muss man vorausschicken, dass Moritz Sostmanns „Der gute Mensch von Sezuan“ gar keine ganz „richtige“, sondern „nur“ die Leipziger Premiere einer Inszenierung des Schauspiels Köln ist, die vom Regisseur mit Leipziger Schauspielern „nachgearbeitet“ wurde. Blättert man in älteren Jahrgängen der Zeitschrift „Theater heute“, so findet man ein Heft aus dem Herbst 2013, in dem man etwas über die Eröffnung der Intendanz von Enrico Lübbe am Schauspiel Leipzig lesen kann. Im selben Heft wird auch über den Beginn der Intendanz von Stefan Bachmann in Köln berichtet.
Bedingt durch Bauarbeiten am Kölner Schauspiel musste man dort damals in eine ehemalige Fabrikhalle ausweichen. Aus der Not machte man eine Tugend und nutzte umherliegende Baumaterialien, ein Förderband und andere Hinterlassenschaften für das Bühnenbild der Inszenierung von Brechts „Der gute Mensch von Sezuan“. Inszeniert hatte damals Moritz Sostmann. Mittlerweile hatte dieser in Leipzig Pirandellos „Sechs Personen suchen einen Autor“ inszeniert. Ein sehr interessanter Abend, dessen Reiz vor allem auf einem geschickten Umgang mit Puppen beruhte. Sostmanns zweite Leipziger Inszenierung, „Der Widerspenstigen Zähmung“ stand dann so selten auf dem Spielplan, dass ich sie nicht gesehen habe. Und auch wenn nun seine Sezuan-Interpretation nichts wirklich Neues war, war ich doch gespannt, ob sie halten würde, was die „Sechs Personen“ versprochen hatten.
Nun, es sei vorweggenommen: leider nicht. Über Sinn oder Unsinn, ein Bühnenbild aus einer Kölner Industriehalle auf die Bühne des Leipziger Schauspiels zu wuchten, kann man streiten. Immerhin dürfte eine solche Wiederverwertung ein gewisses Sparpotential haben und die meisten Leipziger Theaterbesucher werden die Inszenierung in Köln wohl nicht gesehen haben. Als gelernter Puppenspieler hat Moritz Sostmann auch hier wieder auf Puppen gesetzt. Ähnlich wie in den „Sechs Personen“ sind einige Figuren dabei sowohl als Puppe, als auch als Schauspieler zu erleben.
Die Menschen, die Shen Tes Gutmütigkeit ausnutzen und sich in ihrem Tabakladen häuslich einrichten, sind durchweg als Puppen zu sehen. Allerdings nicht als mehr oder weniger realistisch gestaltete, sondern in einer Mischung aus Muppet-Show und Sesamstraße. Zu dieser für mich nicht ganz nachvollziehbaren Idee gesellen sich eine ganze Menge weiterer Regieeinfälle, die eher dem Prinzip „Wir machen das mal, weil es uns gerade einfällt“ zu folgen scheinen. Die Götter, die nach dem guten Menschen suchen, tragen ein wenig albern wirkende Engelsflügelchen, aber diese Flügel sind nicht auf die drei Götter beschränkt, sondern werden zeitweise scheinbar von allen Schauspielern getragen. Warum? Auf vielfältige Weise wird mit Dialekten gearbeitet: Da scheinen Figuren aus Köln, Sachsen oder Österreich auf der Bühne zu stehen. Offensichtlich wird einem Handwerker nicht zugetraut, dass er hochdeutsch spricht, dann muss er eben sächseln. An einer Stelle darf Brian Völkner gleich drei oder vier Rollen allein und quasi gleichzeitig spielen: ist lustig – machen wir mal.
So wirkt leider so manches an diesem Abend, der das Niveau der „Sechs Personen“ nicht erreicht und zugunsten von ein paar Lachern auch von Brechts Kapitalismuskritik nicht viel übrig lässt. Schade. Die nächste Premiere auf der großen Bühne ist übrigens für den 18. Januar angesetzt.
» Der gute Mensch von Sezuan
Bertolt Brecht. Regie Moritz Sostmann. Bühne Christian Beck. Kostüme Theresa Mielich, Elke von Sivers. Musikalische Leitung Philipp Pleßmann. Puppenbau Atif Hussein, Franziska Müller-Hartmann. Dramaturgie Marleen Ilg. Mit: Johannes Benecke (Puppenspiel), Andreas Dyszewski, Daniela Keckeis, Philipp Pleßmann (Puppenspiel), Magda Lena Schlott (Puppenspiel) und Brian Völkner.
Wieder am 19. Dezember, 11. Januar, 1. Februar und 12. März