erneuter besuch bei: lars eidingers hamlet an der schaubühne

Selten gibt es Inszenierungen, die über Jahre auf dem Spielplan eines Theaters stehen. Legendär soll in dieser Hinsicht „Der Drache“ in der Regie von Benno Besson am Deutschen Theater gewesen sein. Hinsichtlich der Laufzeit ist er mittlerweile aber von Heiner Müller „Arturo Ui“ am Berliner Ensemble überholt worden, der seit 1995 im Repertoire ist. Da kann Thomas Ostermeiers „Hamlet“ an der Berliner Schaubühne noch nicht mithalten. Die Premiere fand 2008 statt. Aber trotz relativ negativer Premierenkritiken erfreut sich der Abend bis heute bester Zuschauerresonanz. Die Karten sind meist Wochen vorher ausverkauft.

Nach einem ersten Besuch im Jahre 2009 bin ich nun ein zweites Mal nach Berlin gefahren, um Lars Eidinger als Hamlet zu sehen. Eidinger ist ohne Frage das Publikumsmagnet der Inszenierung, und man kann sich fragen, ob sie auf ebenso anhaltendes Interesse stoßen würde, wenn Eidinger nicht mittlerweile durch Film und Fernsehen bekannt geworden wäre.

Noch nicht in die Jahre gekommen: Lars Eidinger ist Hamlet. Seit 2008. © Arno Declair
Noch nicht in die Jahre gekommen: Lars Eidinger ist Hamlet. Seit 2008. © Arno Declair

Er ist auch der einzige Darsteller des Abends, der sich mit nur einer Rolle begnügt, die restlichen fünf Schauspieler müssen sich die anderen Rollen teilen. Wobei etliche Figuren der Shakespearschen Vorlage gestrichen wurden und auch einiges an Text fehlt, so dass die Spielzeit nur reichliche zweieinhalb Stunden beträgt. Aber Regisseur Ostermeier hat nicht nur gestrichen, sondern auch hinzuerfunden. Nach einem ersten Sein-oder-Nichtsein-Monolog Hamlets (der kommt im Laufe des Abends dreimal vor) wird uns eine Begräbnisszene gezeigt, die es bei Shakespeare gar nicht gibt und die bei Ostermeierr ohne Text auskommt. Es ist das Begräbnis von Hamlets Vater, das uns da gezeigt wird, auf einer von Erde bedeckten Spielfläche und im strömenden Regen.

Die Eingangsszene lässt auch gleich ahnen, dass es an diesem Abend nicht nur tragisch ernst zugehen wird – das Bemühen des Totengräbers, den Sarg in die Erde zu befördern, gerät zu einer ausgiebigen Slapsticknummer. Eidingers Hamlet hält sich hier noch im Hintergrund, übernimmt aber dann schon bald die Führung. Er erscheint als pummeliger junger Mann, der sich nicht so sehr mit philosophischen Grübeleien abgibt, sondern gegen die Verhältnisse aufbegehrt, oft laut und aggressiv.

Hamlet an der Schaubühne © Arno Declair
Zu Grabe getragen … © Arno Declair

Die Streichung einiger Rollen führt dazu, dass Szenen umgestellt werden. So gibt es die Schauspielertruppe gar nicht, sondern Hamlet und Horatio spielen das Stück von der Mausefalle selbst. Es ist auch die einzige Szene, in der Lars Eidinger ohne Fatsuit auftritt, sicher beruhigend für alle Fans, die sich schon den ganzen Abend über gefragt haben, seit wann der Lars denn so dick geworden ist.

In der Auffühung, die ich gesehen habe, passiert Eidinger ein Missgeschick: Er wirft eine Bierdose mit etwas zu viel Schwung über die Bühne, so dass sie in den vorderen Zuschauerreihen landet. Das gibt ihm Gelegenheit, aus seiner Rolle zu treten und sich zu entschuldigen: die Lacher sind ihm dafür sicher.

Zu Centraltheaterzeiten gab es auf der Leipziger Hinterbühne Sascha Hawemanns Hamletverison, in der der letzte Akt mit der Kampfszene vollkommen gestrichen war und durch eine großartige Szene ersetzt wurde, in der es Kleider vom Bühnenhimmel regnete. Es wisse doch sowieso jeder, wie das Stück endet. So richtig ernst könne man diese Metzelei ja auch nicht nehmen. Bei Ostermeier wird die Szene zwar gespielt, aber er versucht, ihr komischen Seiten abzugewinnen. Am Ende ist die Inszenierung dann wieder ganz bei Shakespeare, wenn Hamlet vor den Vorhang tritt und die Worte spricht „Der Rest ist Schweigen.“ Stimmt allerdings nicht, denn der Rest ist tosender Applaus.

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