Hamlet | Staatsschauspiel Dresden

last call for hamlet – dresdens kultinzenierung zieht nach düsseldorf

Schon seit 2012 rockt dieser Hamlet mit Christian Friedel in der Titelrolle und seiner Band Woods of Birnam Dresden - jetzt laufen hier die allerletzten Vorstellungen. Was aber für die Inszenierung nicht das Aus, sondern einen Umzug von der Elbe an den Rhein bedeutet: Denn Früher-hier-und-jetzt-dort-Intendant Wilfried Schulz holt sie mal eben ans Schauspiel Düsseldorf. Nur wenigen Theaterabenden ist ein so langes Leben an verschiedenen Häusern vergönnt. Wir haben eine der letzten Aufführungen in Dresden genutzt, um zu schauen, was denn dran ist an diesem Kult-Hamlet.

 

© Matthias Horn
© Matthias Horn

Und ja, das rockt tatsächlich. Schon die Bühne von Claudia Rohner schaut aus, als wären wir nicht zum Schauspiel, sondern zum Konzert geladen. Vorm auf der Bühne optisch fortgesetzten Zuschauersaal sind Schlagwerk und Keyboards aufgebaut. In den vier Bühnen-Logen nimmt als zusätzliches Auditorium Helsingørs Hofstaat Platz – die Minen zwischen erwartungsvoll (Ophelia) und besorgt (Neu-König und Königin), was Sohn und Thronfolger Hamlet da wohl vor versammelter Mannschaft zur Aufführung bringen wird.

I’ll call thee Hamlet!
King, father, royal dane!
Oh answer me,

Der ist schon beim ersten Ton von Null auf Hundert und voll pathetischen Schmerzes ob des Todes des geliebten Vaters. Übervaters muss man fast sagen, denn das hier ist eine Tribute-Show für den toten Dänenkönig, der von zwei Bannern links und rechts der Bühne so milde wie weise auf das Geschehen blickt.

Wenn Friedel den Shakespeare-Text mit Popstar-Geste zu opulenten Eigenkompositionen ins Publikum haut, drückt es einen in der Tat heftig in die Sitze. Zwischen Wahn und Genie operiert dieser Hamlet und schnell verschwimmen die Grenzen: was ist Spiel? Was ist echt? Was wahre Emotion, was Attitüde? Ist der edle Geist gar wirklich zerstört und der Mordverdacht zu unrecht auf den Königs-Bruder? Dass er solcherart Argwohn zu wecken und so den unzähligen Hamlet-Interpretationen eine ungewohnte Facette zu geben vermag, muss man dem Abend schon anrechnen.

 

© Sebastian Hoppe
© Sebastian Hoppe

Bis zu „Mousetrap“-Szene steigert sich das Bühnengeschehen – und die ist intensiv, vieltönig, voller poetischer Schwere, mit vollem Einsatz und unglaublich mitreißend: ganz klar der Höhepunkt der Inszenierung. Nach der Pause erweist sich dann aber leider als wahr, was man schon in der ersten Hälfte leise befürchtete. Ist die Band abbestellt, bleibt nicht mehr allzu viel übrig. Dafür wird nun viel solides und schön gesprochenes Wir-tun-so-als-ob-Theater gespielt. Das ist mal komisch, auch mal albern, aber im Kontrast zum intensiven ersten Teil nicht ansatzweise überzeugend.

Erst als sich die Bühne zur Friedhofs- und Duellszene öffnet, nimmt der Abend noch mal an Fahrt auf. Die Totengräberin könnte einem Tom-Waits-Grusical entsprungen sein, statt Erde rieselt hier Glitter auf die Gräber, die sich wie von Geisterhand öffnen und Yoricks Schädel freigeben. Und die ertrunkene Ophelia und ihr ermordeter Vater werden als Zeugen des nun folgenden, komisch-schaurigen Endspiels auf den Friedhof gebeten.

 

© Sebastian Hoppe
© Sebastian Hoppe

Das ist nun wiederum ein grandioses Friedel-Solo, in dem der Schauspieler die Rollen aller Beteiligten übernimmt und sich sozusagen mit den eigenen Geistern auf Leben und Tod duelliert. Er mimt den Hamlet, der auf den Kampf mit Laertes wartet. Er springt in atemberaubenden Tempo in die Rolle des Königs, der den Wein des Stiefsohns vergiftet und in die der Königinmutter, die davon trinkt und an Ort und Stelle dahinscheidet. Schließlich stirbt er als Laertes an der selbstvergifteten Klinge, bevor auch Hamlet das Leben aushaucht.

Dieser Dänenprinz hier spielt um sein Leben und zugleich ist ihm das Leben ein Spiel. Ein schöner  Schwebezustand ist das, in dem Christian Friedel seine Figur und so auch diesen Abend hält. Und die Songs der Woods klingen noch sehr lange im Ohr. I call thee, … Düsseldorf.


» Hamlet
William Shakespeare. Regie Roger Vontobel. Bühne Claudia Rohner. Kostüm Ellen Hofmann. Musik Woods of Birnam. Licht Michael Gööck. Mit Raiko Küster, Hannelore Koch, Christian Friedel, Ahmad Mesgarha, Christian Clauß/Lukas Rüppel, Matthias Reichwald, Deleila Piasko, Jannik Hinsch, Alexander Ganz und der Band: Ludwig Bauer, Philipp Makolies, Christian Grochau und Uwe Pasora.

Letzte Vorstellungen in DD: 21. + 25. Dezember sowie 1. Januar
Erste Vorstellungen in D’dorf: 16. + 17. Februar 2019

Woods of Birnam on Tour mit dem neuen Album Grace: Ab Januar 2019 in Erfurt, München, Stuttgart, Berlin, Magdeburg, Hannover, Düsseldorf, Hamburg und Dresden » Woods of Birnam

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