mehr wirk-lichkeit, weniger realität – meigl hoffmann ölt im centralkabarett den witz

Einiger gut gepflegter Vorurteile wie jenem der schenkelklopfenden Pointenfixierung wegen, wagen wir uns nur sehr selten tiefer in die hiesigen Kabarett-Gefilde. Aber wenn's so schön central daherkommt und selbst aus unverdächtigen Ecken über den grünen Klee gelobt wird, müssen wir dann doch mal gucken. Und werden nicht enttäuscht vom Geölten Witz im Centralkabarett, in dem es tatsächlich auch um Vorurteile geht. Allerdings nicht um jene gegenüber Kabarettisten.

Meigl Hoffmann köpft die Mona Lisa © Centralkabarett
Meigl Hoffmann köpft die Mona Lisa © Centralkabarett

Die Mona Lisa, die der Herr Hoffmann sozusagen als titelgebenden Aufhänger aus Paris erzählerisch ins Leipziger Bildermuseum, requisitorisch auf die Bühne des Centralkabarett verfrachtet hat, hat am Ende des Abends im wahrsten Sinn des Wortes den Kopf verloren. Dem Publikum raucht der zumindest gewaltig und so manches Lachen steckt beim kräftigen Schlussapplaus noch im Halse fest. Aber der Reihe nach.

Meigl Hoffmann mimt in seinem aktuellen Solo den Museumswärter, schlüpft zudem noch in eine Handvoll anderer Rollen, gibt musikalisch den Sonderzug-nach-Pankow-Udo, besingt wunderbar makaber den Leipziger Südfriedhof, erteilt (beinahe) ohne erhobenen Zeigefinger Lektionen in Sachen Quantenphysik, hadert mit den Tücken der Wahrnehmung und baut den überzeugten Veschwörungstheoretiker auf, um selbigen dann direkt am Stammtisch gepflegt auseinanderzunehmen. Kommt ihr noch mit?

Ich verstehe das jetzt auch nicht. Aber ich weiß warum.

Er lässt die Macht ausgehen (Mit wem eigentlich?) und hat sogar Hannah Arendt im Gepäck, erkennt Problempronomen mitten im Satzbau und schraubt sich überhaupt und in überwältigendem Tempo in kabarett-ungewohnte Wortspiel- und Assoziationshöhen. Und das ist mitnichten eine billige Pointenjagd, sondern kluges, gewundene Gedanken-Gänge durchschreiten. Oder besser: durchrennen.

Nur nicht den Kopf verlieren © Centralkabarett
Nur nicht den Kopf verlieren © Centralkabarett

Das hintersinnig-amüsante Feuerwerk braucht ein superwaches Publikum, die Lacher hier wollen erarbeitet sein. Die verschossenen Gedankenblitze und Blitzgedanken zünden aber zielsicher, sind oft überraschend erhellend und lohnen ein Nach-denken; nur selten schießt mal einer übers Ziel hinaus. Hoffmann, dieser Mediator zwischen alles im Fluss und alles im Eimer behauptet eben nie, den richtigen Weg zu kennen oder die Weisheit gepachtet zu haben, sondern ist – ich weiß, dass ich nichts weiß – halt ganz und gar einer von uns.

Gänzlich entgeht er dabei aber leider nicht jener seltsam herumwabernden, vielleicht ja auch kabarettspezifischen, wir-hier-untengegen-die-da-oben-Haltung (Hello, again, liebes Kabarett-Vorurteil, da bist du ja wieder!), die diesen an Schattierungen und Zwischentönen so reichen Abend doch ein wenig unterminiert.

Aber trotzdem oder ebendrum und auch wenn eher alles im Eimer zu sein scheint, als im Flusse: Der Meigl Hoffmann unterhält, regt an und auf, verwirrt und stiftet an. Zum Weiterdenken, zum Perspektive wechseln, zum Wahr-nehmen und Nachfragen, zum Tun. Und genau da liegt der wir-da-unten-Hund begraben und der Unterschied zwischen Realität und Wirk-lichkeit: Denn in Letzterem steckt – hat da schon mal einer drüber nachgedacht? – Wirken. Was voraussetzt, sich aus der passiven Komfortzone zu wagen, deutlicher gesagt: den Arsch hochzukriegen. Na dann mal los!


» Geölter Witz: Im Rahmen der Mona Lisa
Von und mit: Meigl Hoffmann.

Wieder am 7., 8. und 10. September, Centralkabarett Leipzig.


Im Centralkabarett läuft übrigens auch ein Dada-Programm mit Ex-Centralspielerin Emma Rönnebeck:
» Dada is Muss! wieder am 4. Oktober und 1. November

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