Lenz in Metropolis | Schaubühne Lindenfels

no god in the sky? büchners lenz im raster

Büchners Lenz ist ein Borderliner, den Getriebener, Hypersensibler, bei dem Lebensmut unmittelbar in tiefste Verzweiflung, ja in unerträgliche Leere umschlagen kann. Der rastlos ist und doch Halt sucht. Der, in sich selbst gefangen, nicht aus der eigenen Isolation auszubrechen vermag. An der Schaubühne Lindenfels versucht René Reinhardt in einer Mischung aus Sprache, Tanz, Musik und Sound in Büchners Textfragment und die Gedankenwelt des Protagonisten einzutauchen.

Lenz in Metropolis © RM Lands
Elena Francalanci in Lenz in Metropolis © RM Lands

Auf der Rückwand der leeren Bühne ziehen dazu Videos Linien, erschaffen Raster, flechten Netze, errichten schwarz-weisse Gebäude oder beschreiben Raum und Spielerkörper mit handschriftlichen Textpassagen. Der Mensch scheint hier gefangen in den abstrakten, anonymen und unkontrollierbaren Mustern, die er aber gleichzeitig allein schon durch seine Körperlichkeit verformt.

Ansonsten bleiben Reinhardt und seine Spieler – trotz Musik und Tanz – hart am Wort und damit am Sagbaren. In der Hauptsache teilen sich die Schauspieler Laila Nielsen und David Jeker den Text untereinander auf. Die beiden sprechen eindringlich, mit und ohne Mikrophon und oft von den Rändern der düsteren Bühne, während die italienische Tänzer- und Performerin Elena Francalanci meist als beschreibbarer Körper irgendwo zwischen Lenz‘ Qualen und dem Maschinenmenschen aus Metropolis stumm agiert, sich in den und durch die gesprochenen Worte windet.

Das Ganze entwickelt schon eine schöne Dichte, oft bleiben Tanz und Sound aber zu illustrativ an der Oberfläche und Metropolis bloße Behauptung. Die stärksten Momente gelingen, wenn die drei miteinander in Interaktion sind. Mit sechs Händen und einer Glühbirne formen sie da zum Beispiel ein tiefrot pulsierendes Herz – kitschfrei und lebendig, beschützt und doch schutzlos ausgeliefert.

Und auch, wenn er nicht immer offenen Herzen operiert, ist hier ein feiner, kleiner, atmosphärisch dichter Abend gelungen. Mit einem Mix aus Sound, Bewegung und Sprache, der uns durch eine kurzweilige Stunde Theater treibt und die Reclamausgabe vom Lenz mal wieder auf den Nachttisch wandern lässt.


» Lenz in Metropolis
Regie: René Reinhardt. Bühne/Kostüm: Elisabeth Schiller-Witzmann. Video: Thadeusz Tischbein. Technik: Benjamin Henkel. Regieassistenz: Bella Enderlein. Mit Elena Francalanci, David Jeker, Laila Nielsen und Charlotte De Montcassin (Electroacoustic Music)

Eine Theaterproduktion der Schaubühne Lindenfels
Noch einmal am 12. und 13. Juni 2019

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert