noch ein hamlet – sehr treu, aber nicht ganz livehaftig

Während das Leipziger Gewandhausorchester gerade mit Strauss am Londoner Barbican Theatre gastiert, schickt selbiges seinen Hamlet, medien-aufsehend-erregend gespielt von Benedict Cumberbatch - auf Europas Kinoleinwände. So auch nach Leipzig. Unser Shakespeare-Verehrer Thomas Pannicke war im Kino ..

Der unter anderem durch die englische Sherlock-Holmes-Fernsehserie bekannt gewordene Benedict Cumberbatch war in Leipzig als Hamlet zu sehen. Auf der Bühne? Ja, allerdings nicht live, sondern in einer Liveübertragung.

Das National Theatre in London hat ein neues Geschäftsmodell und überträgt Inszenierungen aus dem eigenen, aber auch aus anderen Theatern des Vereinigten Königreichs weltweit in ausgewählte Kinosäle. So konnte man gestern in einem großen Leipziger Kino eine Direktübertragung aus dem Londoner Barbican Theatre sehen. Ein großer Abend für alle Shakespearefreunde! Endlich mal der Originaltext, wie ihn der Meister geschrieben hat. Ab und an ist auch hier mal Text oder sogar eine ganze Rolle gestrichen, aber wenn man an Aufführungen denkt, die von nur sechs Darstellern gestemmt wurden, so ist man erstaunt, dass hier beim Schlussapplaus mehr als 20 Personen auf der Bühne stehen.

Das Bühnenbild ist durchaus beeindruckend, es stellt die weiträumigen Hallen des Schlosses Helsingör dar, die nach der Pause bergeweise mit einer Masse angefüllt sind, die an Erde erinnert, aber wahrscheinlich aus Kunststoff- oder Papierschnipseln besteht. Die Kostüme und Requisiten verorten die Handlung an den Beginn des 20. Jahrhunderts, der berühmte Hamlet in Strumpfhosen oder der Geist in Ritterrüstung sind nicht zu sehen. Ansonsten aber schon allerhand von dem, was sich viele Theaterfreunde unter Werktreue vorstellen.

Das ist durchaus sehenswert, nicht zuletzt wegen der großartigen Schauspieler. Wahrscheinlich wirkt es auf der Kinoleinwand sogar noch besser als auf der Bühne, weil man immer wieder Großaufnahmen der Schauspieler sieht. Und doch, wirkliche Begeisterung kommt bei mir bei einer Regie, die sich weitgehend in den Dienst des Autors stellt und kaum eigene Ideen hat, nicht auf. Ab und an erfreut man sich gern an so einer Inszenierung, aber spätestens nach dem zehnten Hamlet, der nichts außer dem Originaltext und Variationen von Kostümen und Bühnenbild bietet, besteht die Gefahr der Langeweile.

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