noch fragen, hagen? beim sommertheater der HMT leipzig geht’s dieses jahr (nibelungen)gewaltig zur sache

Das Sommertheater der Hochschule für Musik und Theater ist eigentlich immer sehenswert. Heuer aber rockt's besonders und das mit harten, gar nicht so sommertheaterlikem Stoff: Diese Nibelungen sind aber wirklich und ganz im Wortsinn: sagenhaft.

Die Nibelungen. Sommertheater der Schauspielstudenten © HMT Leipzig
Die Nibelungen. Sommertheater der Schauspielstudenten © Richard de Nova

Was für eine furiose Eröffnung! Mit wildem Kampfgeschrei stürmt geballte Frauenpower die Sommertheaterbühne im Grassi-Innenhof, während die Herren – hier eindeutig das schwache Geschlecht – rhythmisch die Trommeln schlagen: zum Siege der Brünhilde von Isenland über ihre Herausforderer. Herrlich matriarchalisch geht es also los. Und mit Stockkampf statt sommertheaterliken Liebeständelei. (Wovon es später aber auch noch ein klein bisschen gibt).

Die Damen wie die Herren aber tragen schon deutlich jene Blessuren, die sie sich im Laufe der Nibelungensaga (hier in der Übertragung von Moritz Rinke) zuziehen werden. Aufgeschürfte Knie und Ellenbogen, Schmisse im Gesicht, blaue Augen und blutende Nasen – hier ist schon zu Beginn keins mehr unversehrt.

Nibelungen? Da war mal was. Wir versuchen für alle, bei denen es auch nach Siegfried + Drachenblut dünne wird, mal kurz zusammenzufassen. Da wäre der junge, gut aussehende Siegfried. Der, der im Drachenblut badete und (fast) unverwundbar ist. Stichwort Lindenblatt. Der den Schatz der Nibelungen erobert hat. Campbell Caspary spielt den blonden Hünen mit jungenhafter was-kostet-die-Welt-Power, charmanter Naivität und doch einem Tick Schläue, die auch mal weiter guckt, als die eigene Lanze lang ist.

Die Nibelungen. Sommertheater der Schauspielstudenten © Richard de Nova
Die Nibelungen. Sommertheater der Schauspielstudenten © Richard de Nova

Ich habe ein paar Ideen für dieses Land. Wollen Sie mit mir eine neue Staatsform gründen?

Das Schicksal treibt den Mann zu den Burgundern. Dort wollen Mutter und Brüder die schöne Kriemhild – die Nina Wolf leichtfüßig von trotzig-zorniger Weltverbesserin auf blutdürstende Rachegöttin dreht und dabei immer ein gutes Stück Verlorenheit mitschwingen lässt – endlich verheiraten. Es funkt zwischen beiden. Siegfried hilft – Die Sachsen liegen ihm! –  im Krieg gegen ebenjene aus und führt auch noch die Brautwerbung von Kriemhilds Bruder, dem König Gunter, bei oben erwähnter Brünhilde durch Trickserei zum guten Ende. Soweit, so Doppelhochzeit.

Mitnichten aber alles gut, denn Gunter (Paul Langemann) muss sich sogar in der eigenen Hochzeitsnacht von Siegfried mit Tarnkappe aushelfen lassen. Das bekommt die Kriemhild spitz und steckt’s im Zickenkrieg Brünhilden. Woraufhin der Burgunderhofstaat Siegfrieds Tod beschließt. Allen voran der nibelungenschatzgeile Hagen von Tronje, der den Mord dann auch gleich hinterrücks ausführt. Dann ist Zeit Kriemhilds langgereifte, furchtbare Rache. Sie lockt die Brüder und Hagen in einen Hinterhalt. Am Ende sind alle tot.

Wenn hier jeder da bleiben würde, wo er hingehört, dann wäre hier Ordnung!

Was die Schauspieleleven aus dem Stoff machen, ist verdammt großartig. Witzig, frisch, klug und temporeich. Mit erstaunlichen und treffenden Seitenhieben aufs Hier und Heute. Mitreißend choreographiert und mit hauseigener Nibelungen-Band umschiffen die 17 Spieler und Spielerinnen so elegant wie kraftvoll sämtliche Sagen-Pathos-Klippen.

Siegfried und Kriemhild sind schon erwähnt worden, aber die hier sind wirklich alle spitze: Dennis Bodenbinder als verträumt-liebenswerter Giselher, Nicole Widera als stolzeste Brünhilde im Mann-Weib-Macht-Kampf-Tanz. Barbara Krebs, die sich ins amazonengleich lustvoll Bühnengemetzel  stürzt. Und: Julian Kluge. Mit genau richtig temperierter Nonchalance, aber irgendwo auch voller Hingabe an die Seinen bestimmt sein Hagen von Tronje als eine Art umtriebiger Chefsteward  zielstrebig den Kurs des Nibelungen-Schiffes.

hie hât daz mære ein ende:
daz ist der Nibelunge liet. 

Charme, Esprit, Power, Hintersinn und ganz viel Leidenschaft. Eine riesen Spiel- und ebenso große Zuschau-Freude. Mehr ist dazu nicht zu sagen, Hagen!

Doch, vielleicht noch das: wir freuen uns auf Nicole Widera, Nina Wolf, Tobias Amoriello, Ron Helbig, Julian Kluge, Philipp Staschull, Friedrich Steinlein und Paul Trempnau im neuen Schauspielstudio Leipzig! Zuerst zu sehen in Enrico Lübbes Doppel-Faust-Inszenierung. Premiere am 29. September.


» Die Nibelungen
Sommertheater der HMT Leipzig
Regie Matthias Thieme. Bühne + Kostüme Heike Mondschein. Musik Jens Baermann. Mit Tobias Amoriello, Antonia Bockelmann, Dennis Bodenbinder, Julius Brauer, Campbell Caspary, Laura Friedmann, Marlene Goksch, Ron Helbig, Julian Kluge, David Kösters, Barbara Krebs, Paul Langemann, Philipp Staschull, Karl-Friedrich Steinlein, Paul Trempnau, Nicole Widera, Nina Wolf

Vorstellungen täglich bis 9.7. 2018 (außer am 2. Juli). Eigentlich ausverkauft, aber an der Abendkasse gibt’s immer noch ein paar nicht abgeholte Tickets. Freiwerdende Kontingente werden auch immer auf der Facebook-Page ausgerufen.

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