Siegfried | UA, Bayreuther Festsspiele

preuss’sche wahnverstrickung auf dem grünen hügel

Sommer? Schon, aber trotzdem nur noch drei Tage bis zur Premiere. Und nicht zu irgendeiner! Am kommenden Dienstag gibt es die allererste Sprechtheater-Inszenierung ever in der Geschichte der Bayreuther Festspiele: Dann kommt Siegfried, ein Text von Feridun Zaimoglu und Günter Senkel über den Wagner-Sohn und langjährigen Festspielleiter, zur Uraufführung. Regie führt der Leipziger Hausregisseur Philipp Preuss. Wie ist es denn dazu gekommen?

Siegfried-Probe im Bayreuther Reichshof – Bühne Ramallah Aubrecht, Licht Carsten Rüger

„Die Bayreuther Festspiele haben nach einem großen Gesamtkunstwerker gesucht“, witzelt Preuss, der auf der Theaterbühne bekanntermaßen genauso daheim ist wie in der Bildenden Kunst. „Nein, im Ernst“, sagt er dann, als wäre es das normalste von der Welt, „Katharina Wagner hat einfach bei mir angerufen.“

Philipp Preuss hat dann Felix Römer von der Schaubühne Berlin und Felix Axel Preißler, Carsten Rüger (Lights) und Ton-Mann Alex Nemitz vom Schauspiel Leipzig angerufen. Und so verbringt das Team nun den Sommer sozusagen im Zentrum des Wagnerschen Unviversums. Mit Opern selbst hat der Regisseur dabei gar nicht allzu viel am Hut. „Ich war als Statist bei ‚Carmen‘ und bei ‚La Damnation de Faust‘ bei den Bregenzer Festspielen“. Das sei allerdings schon zwanzig Jahren her, erzählt Preuss weiter: „Das ist tatsächlich das letzte Mal, dass ich in der Oper war.“

Mit Siegfried Wagner steht nun nicht nur eine Bayreuther Nabelschau, sondern auch eine „mehr als zwiespältige“ Persönlichkeit im Mittelpunkt. Das dritte Kind von Richard Wagner und dessen späterer Ehefrau Cosima leitete die Festspiele von 1908 bis zu seinem Tod im Jahre 1930. Ein Leben zwischen gelebter Homosexualität und Ehe, persönlicher Freiheit und Repräsentationszwang und im engsten Bannkreis des aufstrebenden Nationalsozialismus. Wer Philipp Preuss kennt, weiß, dass er aus dieser Biographie keinen „Guido-Knopp-Pseudohistorismus“ machen wird. Ihm geht es vielmehr darum, eine „eigene theatrale Form und Sprache über diesen Menschen und seinen historischen Kontext finden.“

Dichtung eben. Und tatsächlich fehlen auch Dokumente und Materalien, die Aufschluss geben könnten über Siegfried Wagners frühe Verstrickung in die NS-Geschichte, sein Doppelleben als Ehemann und Homosexueller und dem Druck der Familie und des Übervaters: „Da gibt es anscheinend einen Safe mit zig Briefen, der aber nicht geöffnet wird.“ Frei nach „Blixa Bargeld: ‚Da wo was fehlt, wo was leckt, da muss eine Dichtung rein!'“ will die Inszenierung „versuchen, diese alptraumhafte, ungreifbare Leerstelle eben als ungreifbare, alptraumhafte Leerstelle“ zu zeigen.

Siegfried und Siegfried
Siegfried und Siegfried – Felix Römer (Schaubühne Berlin) und Felix Axel Preißler (Schauspiel Leipzig)

Das sollte dem Meister beklemmend-nervöser Seelenlandschaften – wir denken nur an die Leipziger Gespenster – durchaus liegen. „Mit der Idee des Gesamtkunstwerks mit strahlenden Schauspielern wie Felix Preißler und Felix Römer im Mittelpunkt und uns Trabanten von Bühne, Kostüm, Musik, Sound, Licht und Video drumherum, kann ich naturgemäß einiges anfangen“, meint er dann auch selbst.

Wie aber greift ein historisch derart aufgeladener Ort in die Produktion ein? Was macht das Drumherum aus dem Stück? Gespielt wird im Reichshof, einem alten, großen Stummfilmkino. „Unser eigener Hügel“, sagt Preuss, „das bedeutet relative Ruhe von dem Festspieltrubel. Wir haben im Festspielhaus gefilmt, in der Villa Wahnfried – an all diesen historisch kontaminierten Orten des Antisemitismus und des Deutschnationalismus. Dieser historische Subtext zwingt natürlich zu permanenter Hinterfragung.“

Und Wagner selbst? Dessen Musik sei nicht die seine, räumt Preuss ein. Ansonsten sei Richard Wagner einerseits eine „gewisse Hochstapelei, andererseits großes Kino ohne Kamera, avant la lettre. Konträr dazu dieser groteske Geniekult, diese Anbetung der Asche, die Kultur permanent mit Kunst verwechselt. Eins ist evident: hier herrscht Wahnverstrickung!“

Wir sagen danke für die freundlichen Auskünfte und freuen uns auf theatrale Verstrickungen jedweder Art, auf das Leipzig-Berlin-Österreichische (Dream)-Team und schicken schon mal ein sehr gespanntes Toitoitoi voraus nach Bayreuth!


» Siegfried (UA)
Von Feridun Zaimoglu und Günter Senkel. Regie Philipp Preuss. Bühne/Kostüm: Ramallah Aubrecht. Mit: Felix Axel Preißler und Felix Römer.
Uraufführung am 13. August 2019
Weitere Vorstellungen am 15., 19. und 21. August, Kulturbühne Reichshof, Bayreuth

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert