punktlandung mit monchhichi

Wie vor 25 Jahren hat das Schauspiel Leipzig wieder Heiner Müllers Wolokolamsker Chaussee im Programm. Diesmal hat mit Philipp Preuss ein Österreicher die fünf Szenen auf die Bühne gebracht. Und so war die Premiere.

Ich wende mich an die Partei
befreit mich von der Barbarei
Ersetzt den Fetisch Fantasie
Durch die Maßnahme Monchichi
Tocotronic, Monchichi

Monchhichis (jap. モンチッチ), das waren diese kleinen Plüschäffchen, die den Mund nur zum Daumen reinstecken hatten, das Must-Have in den Kinderzimmern der 80er. Kennt ihr? Nicht? Macht nix.

Gleich gibt's Ostwitze und Westgeschenke. © Rolf Arnold
Gleich gibt’s Ostwitze und Westgeschenke. © Rolf Arnold

Sechs davon stehen am Ende lebensgroß im Kinderzimmer der jetzt bald 25 Jahre alten deutschen Einheit, dessen Fußboden nur notdürftig vom Blut der letzten Schlachten gesäubert ist. Und verteilen Westgeschenke ans Publikum, so lange das nur gebührlich über die reichlich dargebotenen Ostwitze lacht. Im Hintergrund geht einen aufblasbaren Panzer die Luft aus. Ein wunderbarer Schluss für einen sehr feinen Abend!

Davor die fünf Texte Heiner Müllers, poetisch und klug und von Regisseur Philipp Preuss wunderbar gesetzt in den Tarn-Raum, der die Hinterbühne einnimmt. Von dessen Wänden sich die Spieler in Tarnanzügen lösen, um ihrer Geschichten – mal im Chor, mal einzeln – mehr zu sprechen, denn zu spielen und sich zu starken, ganz unterschiedlichen Bildern wieder zusammenfinden. Daniela Keckeis als menschliches Maschinengewehr, Denis Petkovic als zweifelnder Hauptmann, das Ensemble als Soldaten-Kompanie, der der Gleichschritt nicht gelingen will und wieder alle beinah wie ein Gemälde dasitzend – als Hommage an Müller inklusive (Luft)Zigarren und reichlich Bühnennebel, während der Meister selbst vom Band das absurde Centauren-Stück liest.

Immer im Auge des Diskurses: Der Einzelne im großen Gefüge, die eigene Verantwortung im Kollektiv, das Festhalten an Regeln in Zeiten zerfallender Ordnungen. Und ist das nicht gerade heute von großer Schärfe und neuer Dringlichkeit, wo Erinnerungs-Events süßlich wabern und sich, was nicht passt, so gut unter den großen, gnädigen Lichtteppich kehren lässt?

Ein starker Text, eine Inszenierung die wagt und gewinnt, berührendes Schauspiel und viel Stoff zum Weiterdenken. Ein dichter Abend, ein klarer Tipp.


» Wolokolamsker Chaussee I-V
Mit: Daniela Keckeis, Lisa Mies, Denis Petković, Felix Axel Preißler, Mathis Reinhardt und Sebastian Tessenow
Wieder am 26. Oktober, 6. und 14. November und 7. Dezember, jeweils 19:30 Uhr, Hinterbühne

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