woher? na, aus’m osten. aber wohin? die neue saison am schauspiel leipzig

Was für eine Woche! Am Mittwoch wird Skadi Jennicke mit großer Mehrheit zur neuen Kulturbürgermeisterin gewählt, dann treten Verfahrensfehler zu Tage - nun muss die Wahl wiederholt werden. Einen Tag nach der Vorstellung der neuen Schauspiel-Saison am Donnerstag gibt die Stadt ihre Intendanten-Vertragsverlängerungs-Bestrebungen bekannt. Über letztere entscheidet der Stadtrat in der Juni-Sitzung, was es ab Herbst in der Bosestraße gibt, lest ihr hier.

Die mit Woher Wohin überschriebene Spielzeit 2016/17 wartet mit sechs Premieren auf der Großen Bühne (+ Weihnachtsmärchen), vier neuen Stücken in der Diskothek und sieben Residenz-Projekten auf. Programmatisch aber doch etwas standpunktlos betont man, auf die vielfältigen Fragen der Gegenwart keine Antworten zu haben (wer kann das auch im Ernst erwarten?), sondern sich an ihnen abarbeiten zu wollen. Nun ja, okay, wir sind auf jeden Fall gespannt.

Um welches Woher es konkret geht, wird mit den Eröffnungspremieren deutlich. 2x Osten, 2x Wende, 2x Prosa – Claudia Bauer und Armin Petras bearbeiten Peter Richters 89/90 (16.9.) und Lutz Seilers Kruso (1.10.) für die Bühne. Das sind zwei tolle und auch sehr unterschiedliche Bücher – die Lektüre über die Theaterferien sei hiermit wärmstens empfohlen – und die beiden Regisseure lassen spannende Zugriffe erhoffen. Und vielleicht auch Erkenntnisse über die Wurzeln der heutigen (ost)-gesellschaftlichen Verwerfungen …

© Luchterhand / Rolf Arnold / Fabian Schellhorn / Suhrkamp
© Luchterhand / Rolf Arnold / Fabian Schellhorn / Suhrkamp

Auf der großen Bühne freuen wir uns dann im neuen Jahr nach seinem grandiosen Sommernachtstraum auf Philipp Preuss Beschäftigung mit Ibsens Woher-Wohin-Stück Peer Gynt. Der Intendant himself hat offenbar Gefallen an Silvesterkomödien und Antike-Moderne-Doppel-Abenden gefunden: Am 31.12. inszeniert Enrico Lübbe Yasmina Rezas bereits tot(gespielt)geglaubten Gott des Gemetzels, am 30.März kombiniert er Brechts Die Maßnahme mit Aischylos‘ Die Perser – mit großem Chor und mit großen (Gewandhaus)Musikern. Ach ja, und dann kommen noch die Gob Squad PerformerInnen mit ihrem – in München leider eher mäßig besprochenen – War and Peace auf die Hinterbühne …

Die Texte der Ur- und Erstaufführungen in der Diskothek lassen auf private, politische und gesellschaftliche Visionen hoffen. Sie handeln von postmoderner Familienplanung (Till Müller-Klugs Der Minusmensch), einem Castingshow-Trip zur Rettung der Welt (Laura Naumann Grand Prix de la Vision, ein Auftragswerk des Schauspiels) und von den unbequemen Einsichten der Alten unserer Gesellschaft – der Todgeweihten: Katja Brunners Geister sind auch nur Menschen. Letzteres bringt Claudia Bauer zur Deutschen Erstaufführung und neben dem spannenden Thema freuen wir uns hier besonders auf die Masken ;). Erfreuliches Wiedersehen: Anita Vulesica, einst wunderbarer Teufel in The Black Rider und jetzt Ensemblemitglied am DT, wird mit dem neuen Schauspielstudio ein Stück der kroatischen Autorin Ivana Sajko erarbeiten.

Die Residenz hat mit » Thomas Frank einen neuen Kurator und erwartet unter anderem Performancer von Interrobang, subbotnik, Henrike Iglesias und Kate McIntosh. Das Künstlerduo notfondyet wird seine Arbeit an Roberto Bolaños Roman 2666 fortsetzen und von Philipp Preuss gibt es ein neues Projekt an den Übergängen zwischen Theater und bildender Kunst.

Auch außer Haus wird gespielt – im August gibt es noch eine Handvoll empfehlenswerter Bunburys vor dem Gohliser Schlösschen, in der Vorweihnachtszeit gastiert das Theater wieder im Zoo, jahreszeitlich passend mit Die zwölf Monate (tatsächlich unser russischer Zeichentrick-Lieblingsfilm!) als szenische Lesung mit Live-Musik. Um das 2017er Sommertheater wird zur Zeit noch ein großes Geheimnis gemacht. Es plätschern zwar ein paar Gerüchte über das Was und das Wo, sicher indes ist nur: es wird gespielt werden und zwar im Mai.

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Auf den Spielplanheftseiten zur Baustelle finden sich neben dem Hinweis, dass hier ab 1. April tatsächlich eine Baustelle sein wird (dann startet der Umbau der ehemaligen Schauhaus-Disco zur Zweitspielstätte) vor allem die bekannten Reihen Le Clûb, Studio, Labor und Diskurs. Die Zeitschrift Edit setzt ihr im Juni startendes Format Mutmaßungen über die Wirklichkeit mit Wolfram Lotz fort und – yeah! Große Freude! – auch von Brian Völkners feinem Kitsch und Krempel gibt es neue Ausgaben.

Von dem heuer mit großem Engagement einiger Schauspieler & Theatermitarbeiter etablierten » ConAction-Café als Begegnungsstätte für Alt- und Neu-Leipziger ist hingegen bedauerlicherweise nichts zu lesen. Quo vadis?

Last but not least erfährt das Ensemble ein (recht moderates) Woherwohin: Ab geht als Einziger Sebastian Baal Tessenow und zwar ans Schauspiel Düsseldorf. (Mathis Reinhardt kann man ab September übrigens in Dresden sehen, aber der war ja auch in dieser Spielzeit (leider) nur noch Gast und wird es mit seinem Never-Ending-Nipplejesus im MdbK auch im nächsten Jahr noch sein.).

Andreas Dyszewski und Brian Völkner vom Schauspielstudio bekommen hier ihr Erstengagement. Vom Schauspiel Frankfurt kommt » Timo Fakhravar und aus Dresden » Thomas Braungardt. Den letzten Neuzugang kennen wir schon aus Sommernachtstraum und Metropolis: » Roman Kanonik kommt fest ins Ensemble. 


Einen Überblick über die Premieren der kommenden Spielzeit in Leipzig und anderswo findet ihr in unserer » Termin-Vorschau 2016/17

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