poetisch-witzige sommermaskerade – die cammerspiele mit triton in der galerie KUB

Sommer, Sonne, Urlaub am Meer - das waren wohl nicht die Worte, über die in der Compania Sincara nachgedacht wurde, als es um die Vorbereitung des diesjährigen Sommertheaters der Connewitzer Cammerspiele ging. Dass der Name des Meeresgottes Triton als Titel gewählt wurde, hat nur wenig damit zu tun, dass das Meer Sehnsuchts- und Urlaubsort vieler Menschen ist. Triton ist nämlich zum Beispiel auch die Bezeichnung einer Operation der Agentur Frontex zur Sicherung der europäischen Außengrenzen. Die Compania Sincara, die sich im letzten Jahr an den Cammerspielen gegründet hat und auch für das Sommertheater 2016 (Candide) verantwortlich war, will ganz offensichtlich mehr als nur einen amüsanten Sommerabend gestalten ...

Triton ©Ruslan Hrushchak
Triton ©Ruslan Hrushchak

Und die „Groteske mit Masken“, wie es im Untertitel heißt, beschäftigt sich in der Tat mit einigen wichtigen Problemen: dem Widerspruch zwischen Mensch und Natur, der Profitgier der kapitalistischen Gesellschaft, der Tatsache, dass Politiker auch ganz egoistische Ziele verfolgen, oder der Frage nach der Nützlichkeit des Einzelnen für die Gesellschaft („nur wer Erträge bringt, den ertragen wir“). Dazu wurde eine Geschichte entwickelt, die sich großzügig bei Mythologie und Märchenwelt bedient.

Trotz des namengebenden Meeresgottes spielt allerdings das Meer kaum eine Rolle. Die beiden Welten, die sich gegenüberstehen, sind die Stadt und der See. Der Ölhändler Olo produziert Öl aus dem Faulschlamm des Sees, ohne sich daran zu stören, dass dieser Faulschlamm der Sohn der alten Wassernymphe Bombina ist. Die sinnt daraufhin auf Rache, wobei ihr Skuldschi, die Herrin der Stadt helfen soll. Die hat zwar Bombinas Hilfe in Anspruch genommen, als es darum ging, an die Macht zu kommen, aber da Skuldschi in Olo verliebt ist, will sie diesen nicht ausliefern. In diese Konfliktsituation hineingeworfen wird Protelino, gewissermaßen eine Verkleinerungsform des Meeresgottes Proteus, der es sich mit seinem Chef Triton verdorben hat und deshalb nun auf der Flucht ist. Der Grund von Tritons Wut auf Protelino soll sein, dass dieser versehentlich das Anthropozän ausgelöst habe, wobei mir am Ende des Abends nicht so ganz klar ist, wie er das eigentlich gemacht hat.

Aber egal, so genau sollte man auf die Schlüssigkeit der Geschichte nicht achten, sondern sich daran erfreuen, wie mit viel Elan und Spielfreude zwar wichtige Themen abgehandelt werden, aber doch der Spaß am Sommertheater nicht auf der Strecke bleibt. Und das alles mit so einfachen wie wirksamen  Mitteln: selbstgeschneiderte Kostüme, eine Bühne, auf der mit viel Ideenreichtum sowohl eine Über- als auch eine Unterwasserwelt entstehen und –als wichtigstes Merkmal des Abends – die Masken.

Alle Schauspieler tragen eine Maske, die den Großteil des Gesichts verbirgt. Um den Verlust an Mimik auszugleichen, wird sehr körperbetont gespielt. Beeindruckend hier vor allem die Figur des Bagnato (eine Rolle, die leider beim Schreiben des Besetzungszettels vergessen wurde), ein alter stummer Fischer. Der verweist ganz klar auf Stummfilmästhetik, aber auch das Auftreten der anderen Schauspieler erinnert immer wieder an Stummfilme.  So wird der Theaterabend zu „großem Kino“.

Triton ©Ruslan Hrushchak
Triton ©Ruslan Hrushchak

Ab und an sorgt ein Kalauer für Lacher, so z.B. wenn der Nymphe Angela vor ihrem Gang unter die Menschen empfohlen wird, sich einen glaubwürdigeren Namen zuzulegen. Und dann gibt es wieder schöne poetische Passagen, z.B. die Beschreibung, wie aus toten Meeresbewohnern im Laufe von Jahrmillionen Öl wurde. Mit dem Öl verbrennt der Mensch zugleich deren Geschichte, er sollte sie doch lieber schlafen lassen – meint jedenfalls Protelino, die Autofahrer im Publikum werden wohl anderer Meinung sein.

Das Publikum ist ab der ersten Szene voll dabei, wenn Protelino seine Weg auf die Bühne vom Dach über den Zuschauerraum nimmt. Und wenn auch für die nächsten Abende kein schönes Sommerwetter mehr vorhergesagt wird – den Sommertheaterabend der Cammerspiele in der Galerie KUB in der Kantstraße sollte sich kein Theaterfreund entgehen lassen.


» Triton. Eine Groteske mit Masken
Sommertheater der Cammerspiele in der Galerie KUB
Compania Sincara. Mit: Gwen Kyrg, Philipp Nerlich, Eric Schellenberger & Marie Wolff | Musik: Johannes Golchert und Anuschka Jokisch | Regie und Scenario: Rico Dietzmeyer | Masken- und Figurenbau: Franziska Schubert | Bühne & Ausstattung: Lisa-Maria Totzke | Dramaturgie: Sina Neueder | Assistenz: Christoph Püngel

Nächste und letzte Vorstellungen: 10./11. und 12. August, jeweils 19:30 Uhr

 

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