leipziger festspiele: das runde ist im eckigen und der countdown läuft

Die Bild titelt gewohnt populistisch „Noch-Chef baut sich ’ne Arena ins Centraltheater!“ und weckt den Volkszorn („Steuergeldverschwendung!“); der Zuschauerraum des Centraltheaters ist (vorerst) Geschichte, die Arena steht und das Festspielprogramm mit sechzehn Inszenierungen in fünfzehn Wochen, Gastspielen, Talks, Konzerten, Film und sogar einem Boxkampf ist komplett. Am Freitag starten die Leipziger Festpiele im Centraltheater. Am Dienstag haben Hartmann und Team schon mal in die Arena geladen.

Kein Raum, um etwas zu verbergen

Fast ist man versucht, vor dem Platznehmen zu testen, ob die Farbe schon trocken ist,  so neu und weiß schaut die Arena aus, für die die roten Plüschsessel des Zuschauerraumes weichen mussten. Ein weißes Oval, vier Sitzreihen für 200 Zuschauer, zwei Eingänge, zwei Aufgänge und jede Menge Scheinwerfer, die das Bühnenrund unbarmherzig ausleuchten – ein wenig fühlt man sich wie einen zu hellen Seziersaal. Der neue Raum ist Programm, er fokussiert auf das Wesentliche im Theater: auf die Schauspieler und bietet nicht viele Möglichkeiten für ein Drumherum, für Bühnenbild & Co. Es wird spannend sein, zu sehen, ob und wie die verschiedenen Regisseure diesem nackten Raum unterschiedliche Zugänge und Umgehensweisen abgewinnen – was etwa macht die Inszenierungen des Intendanten selbst aus, zieht man die gewohnte Bildgewalt ab?

Einer muss den Anfang machen

Letzteres wird sich schon am Freitag Abend zeigen, wenn – von allen Seiten den Zuschauerblicken ausgesetzt – der junge Schauspieler Benjamin Lillie ganz allein im Arenarund steht und mit Dostojewskis „Traum eines lächerlichen Menschen“ die Festspiele eröffnet. (Trailer auf centraltheater-leipzig.de)

Jungfräulich weiß - Die Arena im Centraltheater. Foto: Rolf Arnold.
Jungfräulich weiß – Die Arena im Centraltheater. Foto: Rolf Arnold.

Dieser Anfang ist gleichzeitig Teil eins der Hartmann’schen Russen-Trilogie, die Ende März mit der Erzählung Angst von Tschechow ihre Fortsetzung findet und mit Tarkovskys Nostalghia enden wird. Den Film kann man übrigens gerade in voller Länge auf youtube ansehen.

Schlag auf Schlag – das Festspielprogramm

Nach dem bei Sichtung des Märzplanes ein wenig Sorge aufkam, neben den auswärtigen Top-Acts á la Brandauer nicht genug vom eigenen Ensemble zu sehen zu bekommen, stimmt das Festival-Komplettprogramm vorfreudig-gespannt: Sascha Hawemann widmet sich dem Clemens Meyer Band Gewalten, Robert Borgmann inszeniert Turgenjew, Martin Laberenz wagt sich an Wagners Ring und Rainald Grebe will beim Tag der offenen Tür wissen, was wir eigentlich auf der Bühne sehen wollen, bevor Armin Petras mit Ion des Euripides die Agora-Arena nach Griechenland trägt. Oder umgekehrt.

Das Schauspielstudio ist mit Der große Marsch, gleich drei Monologstudien und einem Liederabend dabei, das Spinnwerk und Gerhard Schöne machen etwas mit und für Kinder und als illustre Gäste werden unter anderem Sophie Rois, Steve Binetti und Heike Makatsch, Klaus Maria Brandauer, der ungarische Künstler Viktor Bodó und das norwegische Ensemble Verksproduksjoner erwartet.

Und so schaut es von hinten aus - Die Arena im Centraltheater. Foto: Rolf Arnold.
Und so schaut es von hinten aus – Die Arena im Centraltheater. Foto: Rolf Arnold.

Gen Sommer wird das Ensemble die Umbautage nutzen, die Hermann Nitsch für sein dionysisches Fest  braucht, um vor dem Weißen Haus open air noch dreimal den Kirschgarten zu spielen. (Die Kirschen aus dem Schrebergarten sind im Geiste schon gepflückt!) Und die – gar nicht von vornherein so geplante – Häufung russischer Autoren führt im Juni zu einer langen Weissen Nacht, in der Hartmanns Arena-Russentrilogie neben den Laberenz-Skala-Abenden Schuld und Sühne und Aufzeichnungen aus dem Kellerloch bis 6 Uhr in der Früh auf dem Programm steht.

Zu Raum und Programm gibt es ein Interview mit Sebastian Hartmann auf lvz-online.de und einen Beitrag auf mdr info.

Die Festspiele ganz praktisch

Die Inszenierungen werden nach kurzen Probenzeiten zumeist ensuite Donnerstag bis Sonntag gespielt und machen danach gleich für die nächste Produktion Platz – eine Reise über ein verlängertes Wochenende vor Ende Juni bedeutet also zwangsläufig Mut zur centralen Lücke. Die Tickets gehen trotz bereits feststehenden Gesamtprogramms wie bisher monatsweise in den Vorverkauf und mit dem  Festivalpass lässt sich kräftig sparen: Ihr zahlt einmalig 40 Euro und kommt dann für nur 5 Euro vom 1. März bis zum 23. Juni (bis dahin gehen nämlich die Festspiele, liebe Bild Leipzig ;) in jede Veranstaltung. Lasst die Spiele beginnen.

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