Mendy, das Wusical | Cammerspiele Leipzig Sommertheater

Das Leben ist (k)ein Ponyhof – nonsensationell wilder Ritt mit den Cammerspielen

Die Reiterhofbesatzung rockt 'Mendy, das Wusical' © Jens Dörre
Donis übt die Rolle seines Lebens, Herr Feist spornt an: ‚Mendy, das Wusical‘ © Jens Dörre

Das Plakat ziert ein Plüschpony und was angerichtet wird, verspricht schräg-verschrobene Unterhaltung, nicht ohne Zwischentöne: Helge Schneiders „Mendy“ wuselt sich musikalisch, beherzt und überdreht durch ein frühpubertäres Pferdemädchen-Universum, das sich mehr und mehr als nicht jugendfreies Grusical dysfuntkionaler Familienbeziehungen entpuppt: mit todsicherem Ausgang.

Wie war’s in der Schule? Gut.
Was sagt der Lehrer? Nix.

Und sämtliche Versprechen werden gehalten. Um Regisseur Danilo Riedl hat sich – wie schon anno Zwoneunzehn bei » Adams Äpfel – ein herrlich verrücktes und glänzend aufgelegtes Ensemble zusammengefunden. Dazu wurde in diesem Jahr schwungvolle Livemusik (unter der Leitung von Johanna Jäkel) bestellt und in Sachen Nonsens Helges Vorlage noch mindestens eine volle Zusatzumdrehung verpasst.

Da hat Donis‘ prollig-herzhafte Lady Mama sichtbar wenig Lust auf Familienversorgung, dafür aber umso größerem Appetit auf Ausritte ohne Sattel und auf den Knecht. Der ist bei Christian Feist hochkomisch und derart gollumnesk unterwegs, dass man ein klein wenig Angst um seinen ruhigen Nachtschlaf hat. Zum Glück hat der Mann auch noch ein paar denkwürdige Auftritte aus messerbewehrter, knackiger und lediglich gummibeschürzter Abdecker, so dass man … ja nun … ein klein wenig Angst um seinen ruhigen Nachtschlaf hat ;). Jennifer Demmel ist ein feines, trotzig-rotziges Girlie, Ulrich Faßnacht als lahmer Vater im Rollstuhl wunderbar trockener Impulsgeber und Damian Reuter gleich drei Ponies mit Ballettambitionen, Busfahrer, Kuh, Ziege und schmieriger Porschehändler in Personalunion. Und wenn Gevatter Tod so charmant-gimme the Blues-ig angeflattert kommt und sich in seinen ellenlangen Federn verheddert wie Falko Köpps schwarzer Seelenfänger-Vogel, dann ließe man sich am Ende vielleicht sogar ganz gern das letzte Fell über die Ohren ziehen.

Die Reiterhofbesatzung rockt 'Mendy, das Wusical' © Jens Dörre
Die Reiterhofbesatzung rockt ‚Mendy, das Wusical‘ © Jens Dörre

Kurz: das hat so viel Spiellust, Wucht, Timing, Tempo und Witz, dass einem am Schluss die ein, zwei Szenen, in denen die Spielspannung mal ein klitzeklein wenig nachließ, gar nicht mehr einfallen wollen. Na gut, eine vielleicht. Aber das spielt sich noch frei – also: Aufgesessen! Hier ist mit allen definitiv gut Pferdestehlen.

And it seems like all is dying
And would leave the world to mourn
In the distance hear her laughter
Of the last Unicorn

Am Ende steht ein heller Mond über den unwirklichen Sandhaufengebirgen der großen Brache vor bzw. hinter dem TV Club Leipzig. Und fast kommt es einem so vor, als säße ganz unten in der Mondsichelschaukel ein kleines Einhörnchen und sänge so hoffnungsfroh wie drohend I’m alive?

Prädikat: Rock’n’Roll.


» Mendy, das Wusical
Von Helge Schneider. Regie Danilo Riedl. Musikalische Leitung & Saxophon: Johanna Jäkel. Schlagzeug: Anton Mück. Keys: Benjamin Strauch. Kostümbild: Romy Rexheuser. Produktionsleitung: Victoria Weber. Technik: René Buschner. Es spielen: Jennifer Demmel, Christian Feist, Ralf Donis, Falko Köpp, Damian Reuter und Ulrich Faßnacht.

Shows: 15.-17. / 20.-23. / 25. und 27.-31. Juli 2021, jeweils 19:30 Uhr, TV Club Leipzig

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